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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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vor. Nicht von den kurzen Spaziergängen zur Pyramide und zurück. Es war anders. Als hätte er viele Hundert und Tausend Jahre hier gelebt. Zellgedächtnis. Er fasste sich an die Brust. Das Mumienherz schlug gleichmäßig, aber sehr aufgeregt. Die Luft roch vertraut , wenn man vom Smog absah. Der Sand glitzerte rötlich in den letzten Strahlen der Sonnenscheibe, die Re mit seiner Barke über den Himmel ruderte. Apophis, die riesige Schlange, würde auch heute Nacht versuchen, ihn zu vernichten, damit es morgen finster bliebe. Er, Set h …
    Rascal pfiff auf den Fingern. »Komm zurück, Sid!«
    Erstaunt blickte er sich zu ihr um. Sie winkte. Ohne es zu merken, hatte sich Sid hundert Meter von ihr und Yusuf wegbewegt, Richtung Westen.
    »Gleich geht die Show los, dann achtet niemand mehr auf uns!«
    Sid drehte sich nicht um. An den Pyramiden vor ihm war wie immer die Hölle los. Touristen, wohin das Auge auch blickte. Dazu Einheimische, die die Stätte durch ihre Dienstleistungen entweihten: Führungen durch die Pyramiden, Kamelritte in die nahe Wüste, Verkauf von Wasser und Feuerzeugen in Sphinxform. Fürchterlich! Jesus hatte die Händler aus dem Tempel verjagt. Beim Anblick dieses Gedrängels und Geschiebes und Gefeilsches konnte er Jesus’ Empörung verstehen!
    »Hey, du hörst ja gar nicht zu!«, beschwerte sich Rascal. »Es geht doch hauptsächlich um dich!«
    Sieh in den Himmel, sa’i meri’i! Damit ich die Gestirne erblicke und dir den Weg zeigen kann. Oh, ich bin zurück in der Heimat!
    Einer inneren Eingebung folgend hob Sid den Kopf. Die Nacht war klar, Sterne und Planeten waren deutlich zu erkennen. Er entfernte sich weiter von seinen Freunden, lief wie in Trance zwischen den beiden größeren Pyramiden hindurch, Richtung Wüste.
    Höre auf dein Herz, sa’i meri’i! Du bist auf dem richtigen Weg, Zeit für die Wüste! Die rote Wüste, Seths eigenes Land! Geh hundert Schritte und hundert und noch mal hundert.
    »Sid!«, brüllte Rascal hinter ihm her. »Wo willst du hin?«
    Nach Hause , murmelte es in Sids Brust. Nach Hause will ic h … Noch einmal blickte er sich zu dem Standbild um. Weiter, geh weiter! Rechts ein Gräberfeld. Was sollen all die Trümmer hier? Dort beginnt der Tunnel, der zu meiner Höhle führt!
    Sid war sich plötzlich sicher. Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers, hier, irgendwo zwischen den Gräbern, musste es sein. Zu seiner Demütigung hatte pharao um pharao den Zugang verschüttet und seine treuen Toten daraufgebettet! Die Tage der Rache werden kommen.
    Er schloss die Augen und atmete ein, sortierte die Moleküle in seinem Kopf, horchte auf das Geräusch des Windes, das aus der Libyschen Wüste zu ihm herüberdrang. Und sein Herz erinnerte sich. Mit ein paar Schritten veränderte er seine Position, blind, dann fiel er auf die Knie und begann zu buddeln.
    »Ist es hier?«, fragte Rascal. Sid sah sie an, sie war wunderschön. Der Mond war fast voll, sein Leuchten mischte sich mit der Reinheit ihres Gesichts. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Plötzlich sah er sich selbst durch ihre Augen, ein Freak, der auf Knien im Sand scharrte wie ein Hund. Dem ein Dämon seinen Willen aufdrückte, jeden Tag ein kleines bisschen mehr Macht über ihn gewann.
    Sid nickte. »Das Mumienherz hat mir den Weg zugeflüstert«, murmelte er verwirrt. »Ich glaube, die Gräber gab es damals noch nicht. Aber genau hier muss der Eingang sein!« Er grub weiter.
    Yusuf schüttelte ungläubig den Kopf. »So wirst du nicht weit kommen. Im Wagen habe ich eine Schaufel, damit sind wir schneller!«
    Um halb elf startete die letzte Sound-&-Light-Show des Tages mit dem üblichen Getöse, die Sphinx war angestrahlt, das Gräberfeld aber lag bis auf das fahle Mondlicht im Dunkeln.
    Yusuf war schnell zurück. Außer der Schaufel hatte er auch noch den Wagenheber und ein stabiles Drahtseil mitgebracht. »Wenn uns die Altertumsbehörde erwischt, bleiben wir so lange im Gefängnis, bis wir unsere Namen vergessen haben«, warnte er. »Also lassen wir uns einfach nicht erwischen!« Yusuf lachte. »Ich sehe mich mal bei den aktuellen Ausgrabungen um, ob da was rumliegt, was wir gebrauchen können, okay?«
    Sid entließ ihn. Abwechselnd rammten nun er und Rascal das Schaufelblatt in den Sand, der die Gräber bedeckte. Es war frustrierend, die Hälfte davon rieselte augenblicklich wieder zurück.
    »Gut, dass wir bei Husni unser Grabräuberdiplom gemacht haben«, schnaufte Rascal.
    Eine halbe

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