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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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auf die Lippen. Das kannte er alles nur zu gut. Genauso war es bei ihm gewesen, wenn er auch zwei Jahre älter als Rascal gewesen war. »Und deine Eltern?«, hakte er nach.
    Rascal lächelte seltsam. »Sie haben mich gelassen. Wir sind wir und du bist du, hat meine Mutter gesagt. Finde deinen eigenen Weg, nur auf dem kannst du zu uns zurückkehren. Am nächsten Tag bin ich ausgezogen. Da war ich vierzehn.«
    Sid war verblüfft. »Sie wissen also, dass du in der South Bronx, einer der miesesten Gegenden der Welt lebst?«
    Rascal nickte. »Und sie akzeptieren es. Auch wenn sie eine Schweineangst um mich haben.«
    Sid verzog das Gesicht. »Solche Eltern hätte ich auch gern.«
    Rascal lachte. »Ja, manches an ihnen kann man sich direkt abgucken für sein eigenes Leben. Andere Sachen dürfen sie gerne für sich behalten.«
    Die wichtigste Frage hatte Rascal aber noch nicht beantwortet. »Wie heißt du denn eigentlich richtig?«
    Rascal schüttelte den Kopf. »Oh nein, mein Lieber! Das bleibt mein Geheimnis!«

57. Kapitel
    Meine Nase riecht die geliebte Heimat. Die Luft, den Sand von deshret , dem Land, das mein Blut gefärbt hat! Ich danke dir, sa’i meri’i ! Du bringst mich zurück zu der Stelle, an der ich fast glücklich war.
    Hier lebte ich all die Jahrhunderte, und alle Männer verehrten mich. Denn jeder wusste um meine Liste, die ich für Seth zusammenstellte. Zu viele Mumien hatte ich zurückgeholt in die Welt. Ein ba und noch ein ba und noch eins, zu viele bau waren auf der Welt. Ihr Flügelschlagen störte Seth. Ich tilgte die bau aller Männer, die ihn nicht fürchteten, nebst Frau und Kind. Deshalb kamen sie in die Wüste, und wenn sie riefen »Seth, zeige dich«, so kroch ich unter seinem Standbild hervor und zeigte mich. Ich war mächtiger als jeder pharao . Alle Weisen der Welt brachten mir ihr Wissen als Geschenk. Thot hatte sie gelehrt, mit der Hand die Gedanken ihrer Herzen auf papyrus zu malen. Sie dachten über Gestirne und Länder nach, über die Menschen, wie man sie heilt und ihnen seinen Willen aufzwingt mit Kräutern und Formeln. Was harmlos war, ließ ich sie den Völkern verkünden. Was aber gefährlich war, oder für dumme Fellachen zu schwer zu verstehen, das behielt ich für mich in meiner Kammer. Ich las und las und las und mein Wissen wuchs und wuchs. Nicht alles konnte ich mit den Augen aufnehmen, denn zu viele waren der Schriften.
    Dann kam Chufu. Dreimal zehn Jahre bauten seine Untertanen an dem steinernen Gefängnis, Seite an Seite mit dem Standbild des Seth, um ihn zu verhöhnen, denn der Horizont des Chufu war viele Male höher als sein Haupt. In seiner Gestalt als Wildhund. Abe r …
    … wie siehst du aus, du Edler? Was hat man dir angetan? Reiße dir die Augen aus, mein geliebter Sohn, damit ich ihn nicht so schauen muss! Sein Kopf verwandelt in ein menschliches Antlitz von großer Hässlichkeit! Das war Chufus Werk, um jedem anzuzeigen, meine Macht ist gebrochen. Wie hat er sich geirrt!
    Die Tage der Rache stehen bevor, sa’i meri’i!

58. Kapitel
    Rache, rächen. R. ist Ahndung angetanen Unrechts durch Wiedervergeltung oder Bestrafung.
1) Das Verlangen nach Wiedervergeltung erfahrenen Unrechts ist im Herzen des natürlichen Menschen tief eingewurzelt, aber durchaus gottwidrig und schon im Alten, noch mehr im Neuen Test., verwehrt (3 Mo . 19,18; Rö . 12,19). Vor allem streitet es gegen die Pflicht der Liebe (3 Mo . 19,18), welche selbst dem Feinde gegenüber keine R. gestattet. (…)
2) Um so mehr aber r. Gott das Unrecht durch Bestrafung. Wie jede Sünde ein Unrecht gegen Gott ist (Ps . 51,6), so ist er auch der einzige berechtigte, aber auch unfehlbare Rächer. Er hält das R.-Schwert in der Hand, die Naturkräfte dienen ihm als Mittel der R. (Ps . 148,8), ebenso aber auch Menschen. Besonders r. er so die Verletzung seines Ebenbildes am Menschen (1 Mo . 9,5).
(…) Die Zeiten besonderer göttlicher Strafgerichte heißen »Tage der Rache«, Jes . 34,8; 63,4; Jer . 46,10; 51,6; Lu . 21,22.

Calwer Bibellexikon S . 599. Stuttgart, 1924.

59. Kapitel
    Plateau von Giza, 6 . November 2007, 2 0 Uhr
    »Und jetzt?« Sid blickte über die Ebene. Die Sphinx, deren zeitlose, mysteriöse Erhabenheit er bei seinen anderen beiden Besuchen so bewundert hatte, kam ihm plötzlich fürchterlich hässlich vor. Beinahe hatte er das Gefühl, er müsste sich die Augen ausreißen, um das verschandelte Standbild nicht länger anzusehen. Angeekelt wandte er sich ab.
    Alles hier kam ihm vertraut

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