Der Schatten des Horus

rund zehntausend bis fünfzehntausend Jahre alt sein. Eine tolle Frau! Die Paläoklimatologin, meine ich ...
    Vor knapp dreißig Jahren ist die Sphinx übrigens angebohrt worden, weil die Gerüchte nicht abreißen wollten, dass sie hohl ist und sich in ihrem Körper die „Kammer des Wissens“ oder „Kammer des Thot“ befindet. Dort soll alles Wissen der damaligen Menschheit aufgeschrieben und gelagert worden sein. Wissen, dass auch heute noch nützlich sein könnte. Da die Lady bei diesen Bohrungen erheblich beschädigt und beinahe ganz zerstört wurde, darf heute niemand mehr mit schwerem Gerät an das Standbild. Seismografische Untersuchungen belegen aber angeblich, dass unter der rechten Vorderpfote der Sphinx ein Hohlraum ist. Doch sogar der Leiter der ägyptischen Altertumsbehörde, Dr . Zahi Hawass, gleichzeitig Direktor des Giza-Plateaus, glaubt daran, dass es unter der Sphinx sehr wohl von Menschen angelegte Tunnel und Höhlungen gibt. Ein weiteres Rätsel, das sich zu erkunden lohnt.
    Jetzt muss ich dringend was trinken, bin seit zwei Tagen ohne Schnaps. Unser neuer Song gibt mächtig Gas im Untergrund, gibt’s auch im Netz. Hör mal rein: „Du, ick und Madonna in den Fahrenstühl“, ein echter Hit!
    In Liebe (nicht wirklich),
    Jurgen, der Kaizer.

55. Kapitel
    Luxor, 6 . November 2007, 6 Uhr
    Birger Jacobsen kauerte auf einem Sessel. Die Beine hatte er so weit nach oben gezogen, dass seine Knie die Ohren berührten. Durch die zugezogenen Gardinen beobachtete er aus wunden Augen, wie die Sonne über den Himmel wanderte. Die geliebte ägyptische Sonne. Nicht so kalt und kapriziös wie daheim in Stockholm war sie hier. Greller zwar, aber doch angenehmer, an einem normalen Tag. Er legte den Kopf auf die Rückenlehne und starrte zur Tür. Der Putz zeigte Risse. Um den Karton vor der Wand surrten Myriaden von Fliegen. Seit er das Paket mit dem toten Hund dorthin geschleudert hatte, war er nicht fähig gewesen zu essen oder zu schlafen. Sein Magen wäre auch nicht fähig gewesen, mehr als ein paar Schlucke Wasser zu verdauen. Birger Jacobsen fühlte sich wie ein Junkie auf cold turkey . Von wem stammte die Drohung? Er hatte sich das Gehirn zermartert, tat es noch, aber die Frage ließ sich einfach von hier aus nicht beantworten.
    Als sein Handy piepte, rutschte ihm das bescheuerte Ding aus den Händen. Bevor es auf den Fliesen aufschlug, konnte er es mit einer hektischen Bewegung doch noch auffangen. Eine SMS-Message.
    kehren nach kairo zurück haben ein standbild gefunden unter sphinx soll kammer sein bleibe weiter dran. ali
    Birger Jacobsen sprang wie elektrisiert auf. Er zog die Karte aus seinem silbernen Zigarettenetui, die aus dem Deckel von Nagys Notizbuch gefallen war. Unter dem Abbild des Seth ist Kammer des Wissens , stand darauf. Der Satz, der alles änderte. Die Sphinx war Seths Standbild, warum war er nicht darauf gekommen? Birger Jacobsen lächelte. Er hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Mithilfe des Zellgedächtnisses würde der sa den Eingang wiederfinden und alles verschüttete Wissen der Welt würde ihm zukommen. Der Sieg war nahe! In ein paar Tagen schon würde er Tanaffus ablösen und selbst Kultführer werden!
    Warum bellen kleine Hunde die großen an? Weil sie nicht wissen, dass sie klein sind! Die Züchtung durch den Menschen hat zwar ihren Körper verändert, aber ihr Instinkt ist derselbe geblieben. Birger Jacobsen stieß das stinkende Paket in die Ecke.
    Manchmal wissen auch die Großen nicht, dass die Kleinen noch größer sind.

56. Kapitel
    A3 Luxo r – Giza , 6 . November, 7 Uh r 10
    Nachdem sie Jurgens Mail aus New York gelesen hatten, vergingen keine fünfzehn Minuten, bis alle mit dem hastig eingesammelten Gepäck vor dem Ford standen. Die Brisanz der Rechercheergebnisse war ihnen bewusst. Jetzt galt es, keine Zeit zu verlieren. Doch seit den verheerenden Anschlägen 1997 in Kairo, zehn Tote, und Luxor, zweiundsechzig Tote, wurden alle Touristen aus Sicherheitsgründen von der Polizei aus der Stadt geleitet, wie Yusuf berichtete. Sid und Rascal waren auf der Rückbank gesehen und natürlich sofort als Ausländer identifiziert worden, also durften sie die Stadt nur im Konvoi verlassen, so vehement Yusuf auch auf seine Landsmänner einredete. Im Schneckentempo zuckelten die Fahrzeuge der Autobahn entgegen. Vorne und hinten ein Pick-up der Polizei mit schwer bewaffneten Scharfschützen.
    Hinter einer Kurve trat Yusuf plötzlich das Gaspedal voll durch, scherte aus der Kolonne