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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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schienen sie nicht im Geringsten erschüttert zu haben. In der Zwischenzeit hatte sie noch
einmal mit der 15-Jährigen gesprochen, die sich aber durchaus nicht an Tiefenbach erinnern wollte. Außerdem war sie standhaft dabei geblieben, dass sie den Flachmann mit dem Bodensatz einem Freund abgenommen habe, von dem sie nur wusste, dass man ihn »Schluffi« rief.
    Danach hatte Tamar mit Felleisen und mit Markert von der Schutzpolizei über eine Razzia im Strichermilieu gesprochen: »Markert würde Leute bereitstellen – wenn Sie einverstanden sind. Felleisen ist skeptisch.«
    »Ich bin’s auch«, sagte Berndorf. »Dass der Anwalt umgebracht wurde, wird sich in der Szene sofort herumsprechen. Jeder hat ihn dort gekannt. Außerdem kommt es in den Regionalnachrichten. Also werden die Jungs damit rechnen, dass heute Abend die Polizei angebraust kommt. Folglich können wir es gleich bleiben lassen.«
    »Felleisen meint das auch«, sagte Tamar. »Also abgehakt. Nächstes Thema: Ihre Liste von Thalmanns möglichen weiteren Opfern.« Sie hatte herausgefunden, dass der frühere Erste Staatsanwalt Walther Kropke im Dornstadter Altenzentrum lebte. Von dem Vorsitzenden Richter a. D. Gauggenrieder wusste man, dass er im Ulmer Vorort Söflingen wohnte. Tamar hatte bereits bei ihm angerufen, aber nur Gauggenrieders Frau erreicht: ihr Mann sei mit den Hunden unterwegs. Für Kropke wie für Gauggenrieder sei Polizeischutz angefordert.
    Berndorf sagte, dass er mit beiden auch noch selbst reden werde. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Es war Englin.
    Er bestand darauf, dass Berndorf mit zur Pressekonferenz gehe, auf der über die Ermordung Halbergs berichtet werden sollte.
    Wäre Thalmann spektakulär festgenommen worden, hätte Englin die Pressekonferenz allein wahrgenommen, dachte Berndorf, als er sich vor dem kleinen Spiegel in seinem Wandschrank kurz über die Haare fuhr. Viel bringt es ja nicht, dachte er seufzend und schloss die Schranktür wieder.
Es wunderte ihn jedes Mal, wie viele Journalisten sich zu den Pressekonferenzen der Polizeidirektion oben im Schulungsraum des Neuen Baues einfanden, seit es die privaten Sender gab. Diesmal war das Gedränge noch größer als sonst, und der Tisch mit Englin, Desarts und ihm selbst war von Scheinwerfern für die Fernsehkameras ausgeleuchtet. Die Journalisten ihm gegenüber waren fast durchweg junge Leute, immerhin saß auch Frentzel vom Tagblatt dabei; sie begrüßten sich mit einem kurzen Nicken.
    Zu Beginn der Konferenz redeten vor allem Englin und Desarts. Als Fragen zugelassen wurden, hatte es eine Blondine in einer schwarzen Lederweste und mit einer ins Schrille kippenden Stimme vor allem auf Berndorf abgesehen. Sie wollte von ihm wissen, warum die Öffentlichkeit nicht vor einem entsprungenen Frauen- und Kindermörder geschützt werden könne und wie viele Verbrechen Thalmann wohl noch begehen werde, bis die Frauen und Kinder in Ulm wieder ruhig schlafen könnten.
    Berndorf sagte, bisher habe er keinen Hinweis darauf, dass Thalmann sich in Ulm aufhalte.
    »Aber gerade haben Sie uns doch geschildert, wie er seinen früheren Anwalt umgebracht hat«, hakte die Blondine nach.
    »Das habe ich Ihnen nicht geschildert«, sagte Berndorf. »Ich weiß nicht, wer Halberg getötet hat. Wenn Sie sagen, dass es Thalmann war, wissen Sie mehr als ich.«
     
    Auf dem Rückweg von der Pressekonferenz wurde Berndorf von Englin aufgehalten. »Das war leider nicht klug, Kollege«, sagte er. »Wir sollten mit den Fernsehmedien kooperieren. Es ist auch ein Wunsch des Staatssekretärs. Und wir sollten auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als ob es unterschiedliche Einschätzungen hier im Hause gebe.«
    »Tut mir leid«, antwortete Berndorf. »Aber mein Wunsch war es nicht, an dieser Pressekonferenz teilzunehmen. Und die Fragen dieser Dame habe ich auch nicht bestellt.«

    »Das ist keine Erklärung, warum Sie sich nicht an unsere Linie halten«, gab Englin kühl zurück und verschwand in seinem Büro.
    In Berndorfs Büro wartete Tamar auf ihn. Das Labor habe angerufen, sagte sie. »Sie haben Fingerabdrücke identifiziert, die die Spurensicherung gefunden hat. Thalmann war bei Halberg.«
    Ach ja, dachte sich Berndorf. Da hat das blonde Gift aber einen schönen Deppen gefunden, den es im Fernsehen vorführen kann.

Freitag, 30. Januar, 14 Uhr
    Links an der Wand hing ein großes Plakat, das zum Besuch des Blühenden Barock in Ludwigsburg einlud, hinter dem Tresen mit den Milchglasscheiben

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