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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sich zurück. »Okay«, sagte er. »Er ist es. Aber wie kriegen wir ihn? Die Zeiten, in denen wir die Mossad-Leute nach Argentinien schickten und Eichmann holen ließen, sind vorbei. Die Bundesrepublik ist«, er hob zweifelnd beide Hände, »so etwas wie ein befreundeter Staat. Da geht das nicht.«
    »Sie könnten mir helfen, die Fotos zu veröffentlichen«, sagte Berndorf. »Vielleicht leben noch Zeugen, die sich melden könnten.«
    Rabinovitch betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Sie gehen da volles Risiko«, sagte er. Berndorf zuckte mit den Schultern. Rabinovitch beugte sich über den Schreibtisch und zog sein Telefon zu sich her.
     
    Tamar schaute in den grauen Himmel über Ulm. Inzwischen hing das Dienstende unmittelbar über ihr, wie ein drohendes Verhängnis. Das Telefon, das sie ganz leise gestellt hatte, meldete sich. Sie nahm den Hörer auf.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte eine Stimme, die durch das Telefon hell und doch auch gepresst klang. »Ich habe Ihren Brief bekommen. Deinen Brief. Ich weiß nicht, was jetzt werden soll.«

    Tamar spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals klopfte. »Kann ich zu dir kommen?«
    »Wenn das geht«, sagte Hannah. »Ich wollte schon nach Ulm fahren. Aber gestern hat mein Vater angerufen. Plötzlich hab’ ich nur noch Angst.«
    Drei Minuten später schoss Tamar in Berndorfs Citroën auf die Neue Straße hinaus. Ohne zu bremsen riss sie den Wagen von der Ausfahrt nach rechts auf die Fahrbahn. Ungerührt schwebte der Citroën um die Ecke.
     
    In der Wohnung in Neukölln hatte sich Wolfgang Ullmer, der neue Untermieter, darangemacht, das Beistelltischchen zu richten, über das sein Mitbewohner, der Informatiker Rabenicht, geklagt hatte. Er nahm es auseinander, schliff die Holznut sauber und leimte das Tischchen wieder zusammen.
    Dabei ließ er sich von Rabenicht erklären, warum das neue Computerprogramm W7 nichts tauge. Dann sprachen sie übers Internet. Rabenicht wunderte sich, dass Ullmer keine Erfahrung damit hatte. Sonst schien er sich mit Computern ganz gut auszukennen.
     
    In einer Villa auf dem Ulmer Michelsberg teilte die Sportstudentin und Tennis-Auswahlspielerin Nike Schülin auf ihrer Homepage mit, dass sie in der kommenden Woche in Ulm trainiere und welche Turniere sie im Frühjahr zu bestreiten gedenke. Sie war groß und blond und träumte von einer Zukunft, in der sie ihr eigenes Sportmarketing-Unternehmen betreiben würde.
     
    Tamar parkte den Citroën schräg auf dem Gehsteig. Sie klingelte Sturm, dann rannte sie das Treppenhaus hoch. Atemlos hielt sie vor Hannahs Appartement ein. Hannah öffnete ihr. Tamar trat ein. Hannah schloss die Tür. Die beiden Frauen standen sich gegenüber. Tamar schaute Hannah in die irritierend ungleichen Augen. Sie atmete tief durch.

Donnerstag, 12. Februar
    Die Jahrestagung der Paracelsus-Gesellschaft sollte am Freitag im Berliner Congress-Centrum eröffnet werden. Die Hausmeister und ihre Hilfskräfte, die von einer Zeitarbeitsfirma kamen, stellten das Podium auf. Mit ihnen war ein Schreiner gekommen, ein älterer, schweigsamer Mann, der sich ruhig und bedächtig daranmachte, das Podium richtig zu verankern.
     
    Im Ulmer Neuen Bau teilte Kriminalrat Englin mit, dass er die Leitung der »Soko Thalmann« selbst übernommen habe; Kriminaldirektor Steinbronner sei nach Stuttgart zurückgekehrt, um dort die Vorbereitungen für den bevorstehenden Transport der Castor-Behälter von Gundremmingen nach Gorleben zu koordinieren.
    Dann wandte er sich an Tamar. »Sie hatten in dieser Woche Kontakt mit der Tochter Thalmann?«, fragte er unvermittelt.
    Kontakt? Allerdings kann man das so nennen, dachte sich Tamar. Zu ihrer eigenen Verwunderung wurde sie bei diesem Gedanken nicht einmal rot.
    »Hannah Thalmann ist von ihrem Vater angerufen worden«, sagte sie in so unbeteiligtem Ton, wie es ihr möglich war. »Sie hat den Anruf als bedrohlich empfunden.« Tatsächlich hatte Hannah gesagt, plötzlich sei ihr alles wieder gegenwärtig gewesen: der lauernde Jähzorn und die Herrschsucht, die Angst der Mutter, ihre eigene Angst.
    »Sie hat ihrem Vater gesagt, sie rede mit ihm nur, wenn er sich gestellt habe.« Dann fügte sie hinzu: »Als Erstes solle er mit Berndorf reden, hat sie von ihm verlangt.«
    »Was soll das?«, fragte Englin ärgerlich. »Sie wissen, dass Berndorf beurlaubt ist.«
    »Ich weiß das«, sagte Tamar. »Hannah Thalmann wusste es nicht. Woher auch. Ich kann es nicht ändern, dass sie denkt, am ehesten könnte Berndorf

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