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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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auf ihren Vater einwirken.«

    »Sie werden das ihr gegenüber klarstellen«, sagte Englin.
    »Ich verstehe nicht«, antwortete Tamar.
    »Sie werden ihr sagen, dass ihr Vater bitte mit mir zu reden hat«, erklärte Englin gereizt.
    Dann wurde über den Castor-Transport gesprochen. Die Waggons mit den verbrauchten Kernbrennstäben würden in Gundremmingen auf die Schiene gesetzt. Das mussten die bayerischen Kollegen absichern.
    »In Ulm«, erklärte Hufschmid vom Staatsschutz-Dezernat, »werden wir vermutlich vor allem im Hauptbahnhof mit Blockadeaktionen zu rechnen haben. Kritische Punkte sind außerdem Zingler- und Erhardbrücke.«
    Beide überspannten die Bahngleise, die eine südlich, die andere nördlich des Hauptbahnhofs.
    »Heißt das, wir müssen alles sichern?«, fragte Markert. »Was das wieder Überstunden gibt.«
    Englin erklärte, dass die Bereitschaftspolizei aus Biberach komplett in Ulm eingesetzt werde. »Vorrangig werden wir den Hauptbahnhof abschirmen.« Wenn Demonstranten den Ulmer Bahnhof besetzen könnten, dann würde das gar nicht gut klingen. Ganz abscheulich würde sich das anhören, ging es Englin durch den Kopf.
    »Die jungen Kerle«, sagte Markert und dachte an das halbe Dutzend grauhaariger Türken, das die Bereitschaftspolizisten bei der Fahndung nach Thalmann angeschleppt hatten.
     
    Englin bat Tamar nach der Konferenz, noch zu bleiben. »Ich habe Ihren Hinweis auf Berndorf als unpassend empfunden«, sagte er. Tamar blickte ihn unbeteiligt an. »Und außerdem möchte ich Sie nur zur Sicherheit darauf hinweisen, dass die von Berndorf geführten Ermittlungen eingestellt sind. Sie haben nichts davon weiterzuführen. Ist das klar?«
    Tamar überlegte, ob sie Englin in den Bauch treten solle. Dann drehte sie sich schweigend um und ging.
    In ihrem Büro rief sie als Erstes Rauwolf an. Der Görlitzer
Kommissar klang merkwürdig. »Nein«, sagte er, »wir haben keine Hinweise auf die Kennzeichen, die Sie mir genannt haben.«
    »Ich habe mir überlegt, ob ein Mietwagen benutzt worden ist«, sagte Tamar.
    »Möglich«, antwortete Rauwolf zurückhaltend. »Aber da ist etwas anderes.« Tamar wartete. »Sie haben es auch hier über die politische Schiene versucht«, sagte Rauwolf. »Mir ist untersagt worden, wegen Twienholt oder Schülin weiterzuermitteln.«
    Tamar atmete tief durch. »Tun Sie doch auch nicht. Wenn ich Ihnen ein Autokennzeichen nenne und frage, ob das in Görlitz gesehen worden ist – also das ist doch ganz unverfängliche Amtshilfe.«
    Rauwolf zögerte. »Okay«, sagte er schließlich. »Sagen Sie mir, wenn ich etwas tun soll.«
    Na also, dachte Tamar. Niemand würde sie kleinkriegen. Nicht nach dem, was in Stuttgart war. Dann nahm sie das Telefon und begann, hinter den Autovermietern herzutelefonieren.

Freitag, 13. Februar, 18.30 Uhr
    In seiner kleinen Suite im zwölften Stockwerk des Berlin Sheraton überarbeitete Professor Gustav Twienholt noch einmal das Manuskript seines Vortrags über den »Schlaf der Seele«. Er würde ihn am nächsten Vormittag vor einem Arbeitskreis halten, der sich mit dem Thema endogener Depressionen beschäftigen sollte. Im Nebenzimmer arbeitete seine Tochter an ihrem Make-up; sie wollte ihren Vater zum Eröffnungsabend begleiten.
     
    Über Berlin-Tegel ließ sich der Pilot einer Maschine mit der Bundesgesundheitsministerin an Bord zur Landung einweisen,
und die Ministerin sah den Text für die Begrüßungsrede vor der Paracelsus-Gesellschaft durch.
     
    Vom Parkplatz vor dem Neu-Ulmer Donau-Hochhaus aus beobachtete Tamar die Lichterfront hoch über ihr. Der Parkplatz war von Bäumen gesäumt. Eine Linde bot ihr Schutz.
    Eberhard Schülin hatte vor einer Viertelstunde seinen metallic-blauen BMW hier geparkt und war in dem Hochhaus verschwunden. Er hatte nicht geklingelt, sondern hatte sich die Haustür selbst aufgeschlossen.
    Ein umtriebiger Herr, dachte Tamar. Bei ihrem dritten Versuch heute hatte sie mit einer Automiet-Zentrale in Gütersloh gesprochen, und die Frau in der Buchhaltung hatte keine Zicken gemacht, sondern einfach nach dem Namen des Kunden gefragt. Dann war, freundlich und bestimmt, die Antwort gekommen. Schülin, Eberhard, wohnhaft in Ulm, hatte am 19. Januar in Nürnberg einen VW Passat angemietet und zwei Tage später dort zurückgegeben. Er hatte mit dem Wagen knapp 800 Kilometer zurückgelegt. Ein Blick auf die Karte genügte, um zu wissen, was das bedeuten konnte.
    In dem Panoramafenster im elften Stockwerk hoch über ihr

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