Der Schatten erhebt sich
daß es Euch Freude bereiten würde«, sagte Rand trocken. »Doch so sehr Ihr euren Mann auch liebt - Ihr werdet ihn wohl kaum nach Cairhien mitnehmen wollen. Für einen kranken Mann wird das einfach zu anstrengend. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn in die Gemächer von Hochlady Estanda bringen zu lassen. Sie wird ihn pflegen, während Ihr abwesend seid, und wenn er gesund ist, schickt sie ihn zu Euch nach Cairhien.« Estanda lächelte angespannt, doch triumphierend. Alteimas Pupillen rollten, und sie brach auf der Stelle zusammen.
Moiraine schüttelte leicht den Kopf. Er war wirklich härter als früher. Gefährlicher. Egwene wollte auf die zusammengebrochene Frau zugehen, doch Moiraine legte ihr eine Hand auf den Arm und hielt sie zurück. »Ich glaube, sie wurde nur von ihren Gefühlen überwältigt. So etwas kann ich erkennen. Die Damen kümmern sich schon um sie.« Mehrere der Ladies umstanden Alteima, tätschelten ihre Hände und hielten ihr Riechsalzfläschchen unter die Nase. Sie hustete und öffnete die Augen. Als sie sah, daß Estanda über ihr stand, wäre sie beinahe erneut in Ohnmacht gefallen.
»Rand hat gerade etwas sehr Kluges getan, glaube ich«, sagte Egwene mit tonloser Stimme. »Und etwas sehr Grausames. Er sollte sich wirklich schämen.« Rand wirkte auch beinahe so, wie er dastand und dem Fußboden vor seinen Stiefeln Grimassen schnitt. Vielleicht war er doch noch nicht so hart, wie er sein wollte. »Verdientermaßen«, stellte Moiraine fest. Das Mädchen zeigte gute Anlagen. Sie nahm doch schon manches wahr, auch wenn sie es noch nicht verstand. Doch sie mußte erst lernen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, nicht nur das zu sehen, was sie gern tun würde, sondern vor allem das, was getan werden mußte. »Hoffen wir, daß er für heute alle seine Schlauheiten verbraucht hat.« Sehr wenige in dem großen Saal verstanden genau, was geschehen war, nur, daß die Ohnmacht Lady Alteimas den Lord Drachen etwas verstört hatte. Ein paar ließen von hinten Rufe ertönen: »Cairhien wird fallen!«, aber sie verstummten ebenso schnell wieder.
»Wenn Ihr uns führt, mein Lord Drache, dann erobern wir die ganze Welt!« rief ein junger Mann mit verschwollenem Gesicht, der Torean ein wenig stützte: Estean, Toreans ältester Sohn. Die Ähnlichkeit war klar zu erkennen. Nur führte der Vater immer noch Selbstgespräche.
Rand riß den Kopf hoch und wirkte aufgeschreckt. Oder vielleicht auch wütend. »Ich werde nicht mit Euch kommen. Ich... gehe eine Zeitlang fort.« Das rief erneut Schweigen hervor. Jeder Blick war auf ihn gerichtet, doch seine Aufmerksamkeit galt allein Callandor. Die Menge zuckte zurück, als er die Kristallklinge vor sein Gesicht hob. Schweißtropfen rollten ihm über die Stirn, viel mehr Schweiß als zuvor. »Der Stein bewahrte Callandor auf, bevor ich kam. Der Stein wird es wieder aufbewahren, bis ich zurück bin.« Plötzlich flammte das glasklare Schwert in seinen Händen auf. Er riß es mit dem Knauf nach oben hoch über Kopfhöhe und rammte es dann mit aller Gewalt hinunter, tief in den Steinboden hinein. Blaue Blitze zuckten zur Kuppel hoch über ihm auf. Der Stein grollte vernehmlich und bebte. Der Boden wölbte sich auf, und schreiende Menschen taumelten umher.
Moiraine schob die gestürzte Egwene von sich herunter, während der Saal immer noch von Nachbeben erschüttert wurde, und rappelte sich hoch. Was hatte er nur wieder angestellt? Und warum? Weggehen? Das war der schlimmste ihrer Alpträume.
Die Aiel standen bereits wieder sicher auf den Beinen. Alle anderen jedoch lagen am Boden oder stützten sich halb aufgerichtet auf Knie und Ellbogen. Außer Rand. Der hatte ein Knie auf den Boden gestützt und hielt mit beiden Händen den Griff Callandors umfaßt. Er hatte die Klinge zur Hälfte in den Steinboden getrieben. Das Schwert war wieder kristallklar. Auf seinem Gesicht glänzte der Schweiß. Er löste seine Hände vom Schwertgriff - einen Finger nach dem anderen -, hielt sie aber noch wie zum Schutz um den Knauf, den er nun nicht mehr berührte. Einen Augenblick lang glaubte Moiraine, er wolle wieder zupacken, doch statt dessen stand er mühsam auf. Er mußte sich dazu zwingen; soviel konnte sie erkennen.
»Seht es an, während ich weg bin.« Seine Stimme klang erleichtert und eher wieder so, wie zu der Zeit, als sie ihn in seinem Dorf aufgestöbert hatte, doch genauso entschlossen wie vorher. »Seht es an und denkt an mich. Denkt daran, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher