Der Schatten erhebt sich
anderen Seite des Ter'Angreal zur Antwort erhalten haben! Das war fast unmöglich!
Meilan war offensichtlich der gleichen Meinung, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen. Er trat zaudernd vor - ein hagerer, harter Mann, doch so verängstigt, daß das Weiße seiner Augen deutlich hervortrat. »Mein Lord Drache... « Er hielt inne, schluckte und begann noch einmal mit etwas stärkerer Stimme: »Mein Lord Drache, wenn man sich in einen Bürgerkrieg einmischt, ist es, als trete man in ein Moorloch. Ein Dutzend verschiedener Parteien streitet sich um den Sonnenthron, die Bündnisse zwischen ihnen ändern sich ständig, und jeder betrügt andauernd jeden. Außerdem treiben sich in Cairhien überall Banditen und Räuber herum. Die verhungernden Bauern haben alles gegessen, was das Ackerland hergab. Ich habe zuverlässige Berichte darüber, daß sie schon Baumrinde und Blätter essen. Mein Lord Drache, der Ausdruck ›Sumpf‹ dafür ist noch viel zu... « Rand unterbrach ihn: »Ihr wollt Tears Einfluß nicht bis hin zu Brudermörders Dolch ausdehnen, Meilan? Das ist schon in Ordnung. Ich weiß bereits, wen ich auf den Sonnenthron setzen lassen werde. Ihr geht nicht als Eroberer hin, Meilan, sondern um Recht und Ordnung und den Frieden wieder herzustellen. Und um die Verhungernden zu retten. Wir haben bereits mehr Getreide in den Scheunen, als Tear überhaupt verkaufen könnte, und dieses Jahr werden die Bauern eine gute Ernte haben, wenn Ihr meinen Anweisungen gehorcht. Das Getreide wird mit Planwagen gleich hinter dem Heer nach Cairhien gebracht, und diese Bauern... Diese Bauern müssen keine Baumrinde mehr essen, Lord Meilan.« Der großgewachsene Hochlord öffnete noch einmal den Mund, und Rand schwang Callandor, bis die Spitze des Schwertes vor ihm auf dem Boden ruhte. »Ihr habt noch eine Frage, Meilan?« Meilan schüttelte den Kopf und trat so hastig zurück, als wolle er sich in der Menge verbergen.
»Ich wußte, er würde nicht so einfach einen Krieg vom Zaum brechen«, sagte Egwene energisch. »Ich wußte es.« »Glaubt Ihr, es wird bei dieser Aktion deswegen weniger Tote geben?« knurrte Moiraine. Was hatte der Junge vor? Nun, wenigstens wollte er nicht wegrennen, um sein Dorf zu retten, während die Verlorenen mit dem Rest der Welt tun konnten, was ihnen beliebte. »Die Leichenhaufen werden genauso hoch sein, Kind. Ihr werdet keinen Unterschied zu einem echten Krieg bemerken.« Statt dessen Illian und Sammael anzugreifen hätte wenigstens Zeit eingebracht, auch wenn der Krieg auf ein Unentschieden hinausgelaufen wäre. Zeit, um den Gebrauch seiner Macht zu erlernen, vielleicht schon einen seiner wichtigsten Feinde zu besiegen und den übrigen Respekt beizubringen. Aber so? Was konnte er damit bezwecken? Friede für das Land, in dem sie geboren war, und Nahrung für die Hungernden Cairhiens? Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie dem Beifall geklatscht. Jetzt allerdings war es wohl sehr menschlich, aber völlig sinnlos. Nutzloses Blutvergießen, statt einen Feind in die Schranken zu weisen, der ihn bei der geringsten Gelegenheit vernichten würde. Warum? Lanfear. Was hatte ihm Lanfear gesagt? Was hatte sie getan? Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten ließen Moiraine schaudern. Rand mußte genauer überwacht werden als jemals zuvor. Sie würde ihm nicht erlauben, zum Schatten überzulaufen.
»Ach, ja«, sagte Rand, als erinnere er sich gerade an etwas. »Soldaten verstehen nicht viel davon, hungrige Mäuler zu stopfen, oder? Dafür braucht man, glaube ich, das gute Herz einer Frau. Lady Alteima, ich hasse es ja, Euch in Eurer Trauer zu stören, aber würdet Ihr bitte dafür sorgen, daß unter den Armen Cairhiens die Lebensmittel verteilt werden? Ihr habt eine ganze Nation zu ernähren!« Und könnt an Macht gewinnen, dachte Moiraine. Das war sein erster Ausrutscher. Abgesehen davon natürlich, daß er das Heer anstatt nach Illian nach Cairhien schickte. Alteima würde garantiert bei ihrer Rückkehr nach Tear an Macht Meilan oder Gueyam etwa gleichkommen und sich für neue Intrigen rüsten. Falls er nicht aufpaßte, würde sie auch noch Rand hinterrücks ermorden lassen. Nun, vielleicht konnte man in Cairhien irgendwo einen Unfall arrangieren.
Alteima knickste graziös und breitete dabei ihren weißen Rock zu voller Größe aus. Sie zeigte nur sehr wenig Überraschung. »Wie mein Lord Drache befiehlt, so gehorche ich. Es freut mich außerordentlich, dem Lord Drachen dienen zu können.« »Ich war sicher,
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