Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
auch überraschend, festzustellen, daß er der kleinere von beiden war. So kräftig und muskulös und kraftvoll in den Bewegungen war er, daß er den Eindruck erweckte, er sei größer, als das der Wirklichkeit entsprach.
    »Wir sind fast immer ein Paar gewesen«, sagte Birgitte zu Nynaeve, ohne den Blick von Cain zu wenden. »Er wird gewöhnlich eine ganze Weile vor mir geboren. Wenn ich ihn hier nicht finden kann, weiß ich, daß meine Zeit ebenfalls bald kommen wird. Wenn ich ihn zuerst sehe, kann ich ihn nicht leiden, aber am Ende sind wir dann fast immer ein Liebespaar oder miteinander verheiratet. Eine einfache Geschichte, aber ich glaube, wir haben sie schon in tausend Variationen durchgespielt.« Cain ignorierte Nynaeve, als existiere sie überhaupt nicht. »Für die Regeln gibt es einen Grund, Birgitte. Wenn man sie bricht, hat man nichts als Rivalität und Probleme davon.« Seine Stimme klang wirklich sehr rauh und hart in Nynaeves Ohren. Gar nicht, wie bei dem Helden der Legenden.
    »Vielleicht kann ich einfach nicht stillsitzen, wenn das Böse um die Vorherrschaft streitet«, sagte Birgitte leise. »Oder vielleicht möchte ich endlich wieder Fleisch werden. Es ist schon so lange her, daß wir das letztemal geboren wurden. Der Schatten erhebt sich wieder, Gaidal. Er erstarkt wieder, und auch hier. Wir müssen dagegen ankämpfen. Das ist der Grund, aus dem wir an das Rad gebunden wurden.« »Wenn uns das Horn ruft, werden wir kämpfen. Wenn das Rad uns verwebt, werden wir kämpfen. Aber nicht vorher!« Er funkelte sie an. »Hast du vergessen, was Moghedien dir angedroht hat, als wir Lews Therin folgten? Ich sah sie, Birgitte. Sie wird dich hier erkennen.« Birgitte wandte sich Nynaeve zu. »Ich werde Euch so gut helfen, wie ich eben kann. Aber erwartet nicht zu viel. Meine ganze Welt ist Tel'aran'rhiod, und ich kann hier weniger vollbringen als Ihr.« Nynaeve riß die Augen auf. Sie hatte nicht gesehen, wie sich der dunkle, schwere Mann bewegt hatte, aber plötzlich stand er nur zwei Schritt entfernt und bearbeitete eines seiner Schwerter mit einem Wetzstein. Es klang, als ob Seide über ein Tischtuch strich. Es war ganz offensichtlich: Soweit es ihn betraf, sprach Birgitte mit nichts als Luft.
    »Was könnt Ihr mir über Moghedien sagen, Birgitte? Um ihr gegenüberzutreten, muß ich alles nur Mögliche wissen.« Birgitte stützte sich auf ihren Bogen und runzelte nachdenklich die Stirn. »Es ist schwer, Moghedien gegenüberzutreten, und das nicht nur, weil sie eine Verlorene ist. Sie verbirgt sich und geht kein Risiko ein. Sie greift nur dann an, wenn sie einen Schwachpunkt entdeckt, und sie bewegt sich nur im Schatten. Wenn sie fürchtet zu verlieren, dann läuft sie weg. Sie ist keine, die bis zum Letzten kämpft, selbst wenn sie dadurch eine Chance auf den Sieg verschenkt. Eine bloße Chance reicht Moghedien nicht. Aber nehmt sie nicht auf die leichte Schulter. Sie ist wie eine Schlange, die sich im hohen Gras zusammengerollt hat und den richtigen Moment zum Zustoßen abwartet. Und sie hat weniger Gefühl als eine Schlange. Nehmt sie ernst - ganz besonders hier. Lanfear hat immer Tel'aran'rhiod für sich beansprucht, aber Moghedien konnte hier mehr vollbringen als sie, obwohl sie in der Welt des Fleisches nicht an Lanfears Kräfte heranreichen kann. Ich glaube nicht, daß sie es dort riskieren würde, sich gegen Lanfear zu stellen.« Nynaeve schauderte. In ihr kämpften Furcht und Zorn miteinander. Der Zorn erhielt ihre Fähigkeit, die Macht zu benützen. Moghedien. Lanfear. Diese Frau sprach so selbstverständlich von den Verlorenen. »Birgitte, was hat Euch Moghedien angedroht?« »Sie wußte, was ich war, obwohl ich es selbst nicht wußte. Ich weiß auch nicht, woher.« Birgitte blickte zu Cain hinüber. Er schien ganz auf sein Schwert konzentriert, doch sie senkte trotzdem die Stimme. »Sie drohte mir, ich würde allein und verlassen weinen, solange das Rad sich dreht. Sie sagte es so, als sei es eine Tatsache, die lediglich noch nicht eingetroffen ist.« »Und doch seid Ihr gewillt, zu helfen?« »Wie ich eben kann, Nynaeve. Denkt daran, ich habe Euch ja gesagt, Ihr dürft nicht zuviel erwarten.« Noch einmal sah sie den Mann an, der sein Schwert schärfte. »Wir werden uns wiedersehen, Nynaeve. Falls Ihr vorsichtig seid und alles überlebt.« Damit hob sie ihren silbernen Bogen, ging zu Cain, legte ihm einen Arm um die Schultern und flüsterte etwas in sein Ohr. Was sie auch gesagt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher