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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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nicht wirklich dort! Das Ding war aus Luft und Feuer gewebt, und zwar mit so feinen Strängen, daß Spinnweben dagegen noch wie Taue gewirkt hätten. Selbst bei höchster Konzentration konnte sie die Stränge kaum noch erkennen. Sie bezweifelte, daß Liandrin oder eine der anderen Schwarzen Schwestern sie erkannt hätten. Ein winziges Aufflammen der Macht, ein extrem kurzer Schnitt, und das fette Tier verschwand. An seiner Stelle lag das schwarzweiße Siegel auf seinem rotlackierten Podest. Moghedien, die es versteckt haben mußte, hatte einen geschickten Platz für ihr Versteck gewählt: vor aller Augen. Feuer schmolz ein Loch in das Glas der Vitrine, und auch das Siegel verschwand in ihrer Tasche. Sie beulte sich nun aus und zerrte mit ihrem Gewicht an ihrem Gürtel.
    Finster blickte sie die Frau an, die auf einer Zehenspitze starr dastand, und bemühte sich, sich einen Weg auszudenken, auf dem sie die Frau mit hinausnehmen konnte. Aber Moghedien konnte sie nicht in die Tasche stecken, und selbst wenn sie die Frau einfach hinaustrug, würde das einiges Aufsehen erregen. Als sie zu dem nächstgelegenen Ausgang ging, blickte sie sich immer wieder wie unter Zwang um. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe. Sie blieb stehen, um einen letzten bedauernden Blick von der Tür aus zurückzuwerfen, und dann trat sie hinaus.
    Sie trat in einen Innenhof mit einem Brunnen, in dessen Becken unzählige Wasserlilien schwammen. Auf der anderen Seite des Brunnens hob eine schlanke Frau mit kupferfarbener Haut in einem beigen Taraboner Kleid, in dem selbst Rendra errötet wäre, gerade einen gerillten, schwarzen Stab von etwa einem Schritt Länge. Nynaeve erkannte Jeaine Caide. Und sie erkannte auch den Stab.
    Verzweifelt warf sie sich zur Seite, so hart, daß sie über die glatten, weißen Fußbodenkacheln rutschte, bis eine der schmalen Säulen sie mit einem Ruck aufhielt. Ein oberschenkeldicker Strahl aus reinstem Weiß schoß durch die Stelle, an der sie gestanden hatte. Es war, als habe sich die Luft in schmelzendes Metall verwandelt. Der Strahl fuhr durch die Ausstellungshalle, und wo er auftraf, da verschwanden ganze Teile von Säulen, und unschätzbar wertvolle Ausstellungsstücke hörten auf, zu existieren. Nynaeve schleuderte Feuerstränge blindlings nach hinten in der Hoffnung, etwas zu treffen, irgend etwas, dort im Hof, und krabbelte auf allen vieren durch die Halle. In kaum mehr als Hüfthöhe sägte sich der Strahl durch die Luft und hinterließ einen tiefen Schnitt in beiden Wänden. Dazwischen brachen Kästen und Kommoden und Vitrinen und sorgfältig verdrahtete Skelette zusammen und zersplitterten auf dem Boden. Mehrere Säulen bebten und stürzten ein, doch was in dieses schreckliche Schwert hineinfiel, konnte nicht mehr die darunter stehenden Ausstellungsstücke zerschmettern, denn es existierte nicht mehr. Die Vitrine, aus der sie das Siegel geholt hatte, stürzte ebenfalls in sich zusammen, bevor der schmelzende Strahl verschwand und in ihrer Sicht einen rötlichen Streifen hinterließ, der noch eine ganze Weile nachflimmerte. Die Cuendillar-Statuen waren alles, was der schmelzende, weiße Strahl unbeschädigt zurückließ. Sie polterten auf den Boden.
    Natürlich zerbrachen die Statuen nicht. Es schien, Moghedien habe recht behalten. Nicht einmal Baalsfeuer konnte Cuendillar vernichten. Dieser schwarze Stab war einer der gestohlenen Ter'Angreal. Nynaeve erinnerte sich an die Warnung, die mit kräftiger Schrift auf ihrer Liste angefügt worden war. Erzeugt Baalsfeuer. Gefährlich und beinahe unmöglich zu beherrschen.
    Moghedien schien zu versuchen, trotz ihres unsichtbaren Knebels zu schreien. Ihr Kopf ruckte verzweifelt vor und zurück, als sie gegen ihre Fesseln aus Luft ankämpfte, doch Nynaeve schenkte ihr über einen kurzen Blick hinaus keine Beachtung. Sobald der Strahl aus Baalsfeuer verglimmt war, richtete sie sich so weit auf, daß sie zurückblicken konnte, durch die Halle und durch den geschmolzenen Riß in der Wand bis hinein in den Innenhof. Neben dem Brunnen wankte Jeaine Caide, eine Hand am Kopf und die andere so kraftlos, daß der schwarze Stab fast zu Boden fiel. Doch bevor Nynaeve mit der Macht zuschlagen konnte, hatte sie den schwarzen Stab erneut gepackt, und wieder barst Baalsfeuer aus seinem Ende und zerstörte alles, was es in der Halle berührte.
    Nynaeve ließ sich auf den Bauch fallen und kroch, so schnell sie konnte, unter all dem Bersten und Krachen und Klappern von umstürzenden

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