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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Säulen und Mauern und Kästen nach der anderen Seite davon. Schwer atmend zog sie sich schließlich in einen Korridor, dessen Seitenwände ebenfalls aufgeschlitzt waren. Sie konnte nicht feststellen, wie tief das Baalsfeuer alles durchschnitten hatte; vielleicht durch den ganzen Palast bis nach draußen. Sie wand sich auf einem mit Steinbrocken übersäten Läufer herum und spähte vorsichtig um die Türkante.
    Das Baalsfeuer war wieder erloschen. Stille hatte sich in der großen Ausstellungshalle ausgebreitet. Nur dann und wann löste sich noch ein Brocken aus dem Mauerwerk und krachte auf den schuttübersäten Boden herunter. Von Jeaine Caide war nichts zu sehen, obwohl die gegenüberliegende Wand so weit zusammengebrochen war, daß Nynaeve den Brunnen im Hof deutlich erkennen konnte. Sie hatte nicht vor, das Risiko einzugehen, hinzulaufen und festzustellen, ob der Ter'Angreal die Frau umgebracht habe, die ihn benützte. Sie atmete schwer und unregelmäßig, und ihre Arme und Beine zitterten so stark, daß sie froh war, einen Augenblick lang liegenbleiben zu können. Das Lenken der Macht kostete genausoviel Kraft wie jede andere Arbeit. Je härter man arbeitete, desto erschöpfter war man eben. Und je erschöpfter man war, desto weniger Energie blieb für den Gebrauch der Macht übrig. Sie war sich im Moment nicht sicher, ob sie in ihrem jetzigen Zustand überhaupt Jeaine Caide gegenübertreten könnte.
    Was für eine Närrin war sie doch gewesen, Moghedien in einem Duell der Macht gegenüberzutreten, ohne daran zu denken, daß sie durch derart starke Entladungen der Macht jede Schwarze Schwester im Palast beinahe aus der Haut fahren ließ. Sie hatte Glück gehabt, daß die Domanifrau mit dem Ter'Angreal nicht schon gekommen war, während sie noch mit der Verlorenen beschäftigt war. Höchstwahrscheinlich wären sie beide gestorben, bevor sie überhaupt der anderen gewahr geworden wären.
    Plötzlich starrte sie ungläubig in die Halle. Moghedien war weg! Das Baalsfeuer war ihrem Standpunkt kaum näher als zehn Fuß gekommen, aber sie war nicht mehr da. Das war doch unmöglich! Sie war abgeschirmt gewesen.
    »Woher will ich schon wissen, was unmöglich ist und was nicht?« knurrte Nynaeve. »Es war mir ja auch unmöglich, eine Verlorene zu besiegen, und doch habe ich es geschafft.« Immer noch kein Lebenszeichen von Jeaine Caide.
    Sie rappelte sich hoch und eilte zu ihrem abgesprochenen Treffpunkt. Wenn nur Elayne keine Schwierigkeiten gehabt hatte! Dann könnten sie es vielleicht doch sicher aus dem Palast hinaus schaffen.

KAPITEL
55

    In die Tiefe
    D iener rannten kopflos durch die Gänge, wo Nynaeve entlanglief. Sie riefen sich gegenseitig verzweifelte Fragen zu. Sicher waren sie nicht in der Lage, zu spüren, wie jemand die Macht benützte, aber sie hatten ganz gewiß bemerkt, daß der Palast fast in zwei Hälften gespalten worden war. Sie schlängelte sich durch - einfach eine weitere Dienerin, die in panischer Angst davonlief; mehr schien sie nicht.
    Saidar entglitt ihr langsam, während sie durch die Gänge und über die Innenhöfe rannte. Es wurde immer schwieriger für sie, zornig zu bleiben, weil sie sich mehr und mehr Sorgen um Elayne machte. Falls die Schwarzen Schwestern sie gefunden hatten... Wer wußte schon, welche Waffen sie noch außer dem Ter'Angreal mit dem Baalsfeuer hatten? Die Liste, die sie erhalten hatten, konnte nicht in jedem Fall einen Zweck angeben.
    Einmal sah sie kurz Liandrin mit ihren blaß-honigfarbenen Zöpfen und Riana mit der weißen Strähne im schwarzen Haar, die nebeneinander eine breite Marmortreppe herabeilten. Sie war in der Eile nicht in der Lage, zu beobachten, ob sie vom Glühen Saidars umgeben waren, doch so, wie die Diener aufschrien und aus ihrem Weg sprangen, verwandten sie wohl die Macht wie eine Peitsche, um schneller voranzukommen. Sie war froh, daß sie nicht versucht hatte, die Macht festzuhalten, denn durch das Glühen hätten sie sie im Nu in der Menge entdeckt, und sie war jetzt, ohne jede Atempause, nicht mehr in der Lage, ihnen gegenüberzutreten, weder einer allein, noch beiden gemeinsam. Außerdem hatte sie ja, weswegen sie gekommen war. Alles andere mußte warten.
    Bald wurden es weniger Menschen, die wild umherliefen, und als sie den engen Korridor auf der Westseite des Palastes wieder erreicht hatte, war niemand mehr zu sehen. Die anderen warteten bei einer schmalen bronzebeschlagenen Tür mit einem großen, eisernen Vorhängeschloß auf sie. Auch

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