Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
Mat zu. Er grinste sie an. »Ich bin mit Kartenspielen beschäftigt gewesen.« Egwene zog die Augenbrauen hoch. Die Frau mußte mindestens zehn Jahre älter als Nynaeve sein. »So, so. Es muß dich ja sehr viel Zeit kosten, das Kartenspielen. Zuviel, um ein paar Augenblicke für alte Freunde aufzubringen.« »Als ich das letzte Mal Zeit für euch hatte, hast du mich gemeinsam mit Nynaeve mit Hilfe der Macht verschnürt und verpackt wie ein Schwein für den Markt, damit ihr ungestört mein Zimmer durchwühlen konntet. Freunde beklauen doch ihre Freunde nicht.« Er verzog das Gesicht. »Außerdem ist immer Elayne bei euch und trägt die Nase in der Luft. Oder Moiraine ist dabei. Ich mag sie nicht... « Er räusperte sich und sah sie von der Seite her an. »Ich will aber deine Zeit nicht verschwenden. Was man so hört, bist du auch ziemlich beschäftigt. Schattenfreunde verhören. Alle möglichen wichtigen Dinge erledigen, schätze ich. Du weißt doch, daß diese Tairener euch für Aes Sedai halten, oder?« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. Er konnte Aes Sedai nicht leiden. Wieviel von der Welt Mat auch zu sehen bekam, er änderte sich doch nicht. »Es ist doch kein Klauen, wenn man sich etwas zurückholt, was man nur verliehen hatte«, sagte sie zu ihm.
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, daß du etwas von Ausleihen gesagt hast. Ach, was kann ich schon mit einem Brief von der Amyrlin anfangen? Würde mich höchstens in Schwierigkeiten bringen. Aber ihr hättet mich wenigstens fragen können.« Sie sah davon ab, ihm anzudeuten, daß sie tatsächlich gefragt hatten. Sie wünschte weder einen Streit noch einen schmollenden Mat. Natürlich fand er immer Ausreden für alles. Diesmal würde sie es bei seiner Version bewenden lassen. »Nun, ich bin jedenfalls froh, daß du wenigstens noch mit mir sprichst. Gibt es heute einen besonderen Grund?« Er strich sich mit den Fingern durchs Haar und knurrte etwas in sich hinein. Was er nötig hatte, war seine Mutter, die ihn beim Ohr packte und fortschleifte, um lange und eingehend mit ihm zu sprechen. Egwene zwang sich zur Geduld. Sie konnte ja geduldig sein, wenn sie wollte. Sie würde kein Wort sagen, bevor er mit dem Grund herausrückte, und wenn sie vor Neugier platzte.
    Der Flur war zu Ende und führte auf eine Terrasse aus weißem Marmor mit einer Steinbrüstung und Säulen rundherum, von der aus man auf einen der wenigen Gärten im Stein hinunterblickte. Große weiße Blüten bedeckten ein paar kleine Bäume mit fleischigen Blättern und verströmten einen Duft, noch süßer als die Rabatten mit roten und gelben Rosen. Eine leichte Brise schaffte es nicht einmal, die Wandbehänge an der Innenseite der Terrasse zu bewegen, aber wenigstens half sie ein bißchen gegen die feuchte Wärme des Morgens. Mat setzte sich auf die breite Brüstung, lehnte sich gegen eine Säule und stellte einen Fuß hoch. Er blickte in den Garten hinunter und sagte schließlich: »Ich... brauche einen Rat.« Er brauchte einen Rat von ihr? Sie machte große Augen. »Ich tue gern alles, um dir zu helfen«, sagte sie mit schwacher Stimme. Er wandte ihr sein Gesicht zu, und sie gab sich alle Mühe, um etwas von der Gelassenheit der Aes Sedai auszuströmen. »In welcher Hinsicht brauchst du einen Rat?« »Ich weiß es nicht.« Es war ein Fall von etwa zehn Schritt hinunter in den Garten. Außerdem befanden sich dort unten Männer, die zwischen den Rosen Unkraut jäteten. Wenn sie ihm einen Schubs gab, würde er vielleicht auf einem von ihnen landen. Auf einem Gärtner - keinem Rosenbusch. »Wie soll ich dir dann einen Rat geben?« fragte sie mit dünner Stimme.
    »Ich versuche... mir klarzuwerden, was ich tun soll.« Er wirkte verschämt, was ihm auch ihrer Meinung nach gut zu Gesicht stand.
    »Ich hoffe, du denkst nicht daran, von hier wegzugehen! Du weißt doch, wie wichtig du bist. Du kannst nicht einfach weglaufen, Mat.« »Glaubst du, das wüßte ich nicht? Ich glaube nicht, daß ich fort könnte, selbst wenn Moiraine mir sagte, ich solle gehen. Glaub mir, Egwene, ich werde nirgendwohin gehen. Ich möchte nur wissen, was nun weiter wird.« Er schüttelte heftig den Kopf, und seine Stimme klang gepreßt: »Was kommt als nächstes? Was befindet sich in meinen Gedächtnislücken? Es gibt ganze Teile meines Lebens, die einfach nicht mehr da sind. Sie existieren nicht mehr, als wären sie nie geschehen. Wieso ertappe ich mich dabei, irgendwelches Kauderwelsch von mir zu geben? Die Leute sagen, es sei

Weitere Kostenlose Bücher