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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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der
Inspektor zu beruhigen. »Weine jetzt nicht mehr und
schau mich an. Deine Herrschaft Mrs. Budd ist auf dem
Weg ins Krankenhaus, dort wird man sich um sie
kümmern. Hör mir jetzt genau zu: Hast du diesen Mann
schon einmal gesehen?«
Das Mädchen, das immer noch schluckte und zitterte,
schaute Frederick kurz an und schüttelte den Kopf.
»Nein, Sir«, sagte sie kaum hörbar.
»Er gehört nicht zu den Männern, die heute hierher
gekommen sind?« »Nein, Sir. «
»Bist du dir da ganz sicher, Sarah? Schau noch einmal
genau hin. « »Ich habe ihn in meinem ganzen Leben noch
nie gesehen. Wirklich!«
Dann fing sie erneut an zu weinen. Der Inspektor
öffnete die Tür und rief einen Wachtmeister herbei:
»Davis, bringen Sie das Mädchen nach oben. Geben Sie
ihr auch ein Glas Wasser. «
Der Wachtmeister führte das Mädchen aus dem
Zimmer, dann schloss der Inspektor die Tür wieder und
holte Notizbuch und Bleistift hervor.
»Darf ich Sie um Ihren Namen bitten, Sir?«
»Frederick Garland, Burton Street 45, Fotograf. Würden
Sie mir jetzt bitte erklären, warum ich eben für eine
improvisierte und, soweit ich weiß, illegale
Gegenüberstellung herhalten musste? Was zum Teufel ist
hier los? Und was ist mit Nellie Budd geschehen?« »Sie
ist heute Morgen von zwei Männern überfallen worden.
Das Hausmädchen hat sie hereingelassen. Sie sagte,
beide seien im Gesicht lädiert gewesen. Blaues Auge,
geschwollene Nase. Auch Sie haben einen frischen
Schmiss im Gesicht, Sir. « »Ja, allerdings, jetzt verstehe
ich. Nur das hier verdanke ich einem Provinzler, der mir
die Tür eines Eisenbahnabteils geradewegs ins Gesicht
geschlagen hat. Wohin hat man sie gebracht? Und wie
schwer ist sie verletzt?«
»Man hat sie ins Guy-Hospital gebracht. Sie ist
regelrecht zusammengeschlagen worden. Sie war
bewusstlos, als wir kamen, aber ich glaube, sie wird
wieder auf die Beine kommen. Das hoffe ich sehr, sonst
werden die beiden hängen. « »Werden Sie sie
schnappen?«
»Worauf Sie Gift nehmen können«, sagte der Inspektor
grimmig. »So wahr ich Conway heiße. Denen werde ich
das Handwerk legen. Aber nun zu Ihnen, Sir. Würden Sie
mir sagen, in welcher Beziehung Sie zu Mrs. Budd
stehen? Was hat Sie hierher geführt?« Frederick erzählte
ihm, er habe eine Reihe bekannter Medien für eine
spiritistische Gesellschaft fotografiert, und sei
gekommen, um Nellie Budd zu fragen, ob er sie ebenfalls
porträtieren dürfe. Der Inspektor nickte.
»Gut, Sir«, sagte er. »Dieser Überfall - nach Aussage
des Hausmädchens haben die Täter nichts mitgenommen.
Es ist nichts geraubt worden. Haben Sie vielleicht eine
Idee, warum der Überall stattgefunden hat?«
»Nein, Sir, absolut nicht. «
Und das, so dachte er ein paar Minuten später, als er den
pferdebespannten Omnibus zum Guy-Hospital nach
Southwark nahm, war die reine Wahrheit. Er wünschte,
er hätte Sackville in der vorangegangenen Nacht noch
gründlicher durchgeprügelt und ertappte sich dabei, wie
er die Fäuste ballte, denn es konnte kein Zweifel
bestehen, wer die beiden Männer waren. Aber aus
welchem Motiv? Bellmann dürfte es wissen. Und der
Bursche mit der Goldrandbrille, Windlesham. Wartet nur,
dafür werdet ihr zahlen.
Den ganzen Tag über war eine verschleierte Frau
unschlüssig um ein Bürogebäude im Finanzviertel
gekreist. Sie verbarg ein kleines Blechkästchen unter
dem Arm und kam immer wieder bis zur Eingangstür,
schaute sich um, hob die Hand, um die Klinke
niederzudrücken, ließ sie dann wieder sinken und schlich
sich entmutigt davon. Es war Isabel Meredith, und das
Büro, in das sie wollte, gehörte Sally.
Ihre angeborene Schüchternheit (denn sie wäre auch
ohne das Feuermal schüchtern gewesen) und der Jammer
der letzten achtundvierzig Stunden hatten ihr die
Willenskraft geraubt, hinaufzugehen und anzuklopfen.
Am Ende aber war ihre Verzweiflung doch stärker als die
Schüchternheit, und sie betrat das Gebäude und klopfte
an. Doch sie erhielt keine Antwort, denn Sally war gar
nicht im Büro. Sie ging wieder fort, noch
niedergeschlagener als vorher. Sie war nicht gewohnt, im
Leben Glück zu haben. Als sie, den Kopf gesenkt, wenig
später mit einer schlanken Gestalt im Tweedmantel
zusammenstieß, konnte sie nur ein »Verzeihung
vielmals« murmeln und beiseite treten - und war erstaunt,
mit ihrem Namen angeredet zu werden.
»Miss Meredith?«, fragte Sally. »Oh! Ja bitte, ich
meine... « »Wollten Sie zu Miss Lockhart?« »Ja. Aber sie
ist nicht in ihrem Büro... «
»Ich bin Miss

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