Der Schatten im Norden
Platzes. Ein leichter Regen
war niedergegangen, der aber bald wieder aufgehört
hatte. Alles war feucht, kühl und still.
Im warmen Licht des offenen Hauseingangs sah er die
Silhouette der jungen Frau und des Hundes und für einen
Augenblick eine weitere weibliche Gestalt. Dann ging
die Tür wieder zu, und die junge Frau trat leichtfüßig auf
den Bürgersteig. Sie kam, wie er vorausgesehen hatte,
auf die Anlage in der Mitte des Platzes zu, bog aber dann
trotz des offenen Tors vor dem Zaun ab und spazierte
langsam um das Geviert herum. Zur gleichen Zeit bog
eine Droschke ein und fuhr bis vor ein Haus auf der
gegenüberliegenden Seite des Platzes. Mr. Brown rührte
sich noch nicht, ließ sie aber keinen Augenblick aus den
Augen, während er auf das Gespräch zwischen Kutscher
und Fahrgast hörte, die noch über das Fahrgeld stritten.
Die junge Frau und der Hund gingen langsam weiter, sie
offenbar in Gedanken verloren, er schnuppernd, den
Kopf hebend und sich schüttelnd, so dass die Kette leise
klirrte.
Auf der anderen Seite des Platzes griff der Kutscher
wieder nach den Zügeln und trieb, nicht ohne deutlich
hörbare Flüche auszustoßen, sein Pferd zur Weiterfahrt
an. Das Getrappel der Hufe und das Knirschen der Räder
auf dem Pflaster dauerten eine ganze Weile, ehe beides
im fernen Lärm verkehrsreicherer Straßen unterging.
Und die junge Frau wanderte immer noch weiter... Sie
war jetzt fast einmal um den Platz gegangen. Früher am
Abend hatte Mr. Brown unauffällig die umliegenden
Häuser und einmündenden Straßen in Augenschein
genommen. Er hatte nach Fluchtwegen gesucht und
wusste, dass sie sich jetzt auf der Höhe einer schmalen
Sackgasse zwischen zwei alten Backsteinhäusern befand.
Er sah, wie sie hinüberschaute und auf die Straße trat.
Die Gelegenheit war da...
Sie zögerte einen Augenblick, dann ließ sie den Hund in
die Sackgasse trotten. Jetzt bewegte sich Mr. Brown. Er
nahm den Revolver in die linke Hand, das Messer in die
rechte und verbarg beides unter seinem Mantel. Leise
kam er unter den Bäumen hervor und überquerte die
Straße. Ohne nach rechts oder links zu schauen, glitt er in
die Sackgasse und lauschte. Stille. Sie hatten ihn nicht
bemerkt.
Im schwachen Lichtschein, der vom Ende der Gasse
kam, konnte er sie sehen. Die Gasse war schmal, und der
Hund war vor ihr hineingegangen. Sehr gut. Erst das
Messer.
Er schob den Mantel beiseite, um beide Hände frei zu
haben. Dann machte er ein paar Sprünge vorwärts, den
Daumen an der Klinge, und war bei ihr, ehe sie Zeit
hatte, sich umzudrehen. Sie hörte ihn erst im letzten
Augenblick und wollte noch ausweichen, da stach er zu
und traf. Sie keuchte, als ob ihr alle Luft auf einmal aus
der Lunge gepresst würde, und fiel sofort zu Boden. Jetzt
rasch die Hände wechseln. Das Messer steckte! Er ließ
den Revolver in die rechte Hand fallen und zog mit der
linken das Messer aus ihrem Körper, als der Hund auch
schon zähnefletschend und knurrend angestürmt kam.
Das Tier stürzte sich auf ihn, als er feuerte. Beide fielen
gleichzeitig, aber er stieß den Lauf der Waffe in die heiße
Flanke und feuerte noch einmal - Schüsse, die wie
Kanonenschläge in der engen Gasse widerhallten.
Es hatte ihn am linken Arm gepackt und bohrte die
Zähne in sein Fleisch. Er schoss noch einmal, doch hatte
er nicht mit dem Gewicht des mächtigen Tiers gerechnet.
Es warf ihn wie eine Ratte gegen die Wand. Noch
zweimal schoss er dem Hund in den Leib, geradewegs
ins Herz. Er hörte, wie sein Armknochen brach --- dieses
Vieh hätte ein Pferd, einen Stier töten können, diese
ungeheure Kraft, es war entsetzlich ---
Er ließ den Revolver fallen und riss das Messer aus den
gefühllosen Fingern seiner linken Hand.
Wo war er, oben oder unten? Ihm war, als würde er von
einem Wirbelsturm hin und her geworfen.
Nun stach er mit dem Messer zu, immer wieder, kratzte
an Knochen, wühlte in Fleisch, die Hand glitschig von
Blut; alles vergebens, das Tier schien nichts zu spüren.
Seine Zähne ließen nicht los, als hätten sie sich bis ins
Mark verbissen. Der Schmerz --- die Angst --- wieder
stieß er zu, hackte mit der Klinge --- das war kein
Handwerk, das war die schiere Panik. Das Knurren und
Werfen hatte kein Ende, er fühlte sich schwindelig vor
Schwäche, stach aber immer noch zu, in Hals, Bauch und
Rücken --- und dann ließ das Tier endlich los. Blut --- so
viel Blut.
Ein wilder Schmerz wütete in seinem Arm, der leblos an
ihm herunterhing.
Und dann kam
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