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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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zersplittert am Boden.
Mackinnon hatte sich von seinem Knebel befreien
können und quiekte vor Angst. Als Sackville über ihn
stolperte und ihm gegen das Bein trat, schrie er auf. Ihm
blieb aber die Luft weg, als Jim unter einem Schlag von
Harris zusammensackte, sich aber noch rechtzeitig
wegrollte, ehe Harris ihm den Garaus machen konnte.
Frederick war unter einem Schlag von Sackville zu
Boden gegangen. Nun kam er benommen wieder hoch
und bekam ein Stuhlbein zu fassen. Er drosch damit
gegen Sackvilles Kopf und sah den Mann fallen, als
plötzlich Stille im Raum eintrat. Er schüttelte sich und
schaute sich um.
Jim stand auf unsicheren Beinen da und hielt eine Hand
an der Wange. Durch die Finger rann in dicken Tropfen
Blut. Ihm gegenüber stand Harris - in der Hand ein
Messer. »Behalt ihn im Auge, Fred«, sagte Jim ruhig.
Harris stieß mit dem Fuß den zu Bruch gegangenen
Kleiderschrank beiseite, schuf sich damit Platz und ging
nun mit gezücktem Messer auf Frederick zu. Frederick
versuchte durch die Lücke zu entkommen, wurde aber
von dem am Boden liegenden Sackville am Bein
festgehalten. Mit dem freien Fuß wehrte er Harris ab,
verlor das Gleichgewicht und fiel. Er schlug mit der
Faust auf Sackville ein und versuchte verzweifelt, sich
loszureißen, als er plötzlich sah, wie Mackinnon, von den
Fesseln befreit, Harris in den Arm fiel. Harris knurrte
wütend und wollte seine Hand aus Mackinnons Griff
losbekommen --- doch das war Jims Chance. Als sich
Harris einen Moment umschaute, schlug Jim ihm die
Faust voll ins Gesicht. Es war der härteste Schlag, den er
in seinem ganzen Leben ausgeteilt hat. Harris klappte
augenblicklich um und fiel der Länge nach hin. »Gut
gemacht, Kumpel«, sagte Jim zu Mackinnon und zuckte,
als das Blut stärker von seiner Wange rann. Harris hatte
auf Jims Augen gezielt und sie nur um Fingerbreite
verfehlt. »Verschnür sie ordentlich, ehe sie wieder zu
sich kommen«, sagte Frederick. »Mackinnon, haben Sie
Geld bei sich? Geben Sie doch Ihrer Zimmerwirtin eine
Zehnpfundnote für die demolierten Möbel und helfen Sie
uns dann, diese Affen hier runterzutragen. Ach ja, und
rufen Sie eine Droschke für die beiden. « Während
Mackinnon die völlig verstörte Zimmerwirtin aufsuchte,
nahmen Jim und Frederick den anderen beiden
Hosenträger, Gürtel und Schnürsenkel ab und
verschnürten sie, so fest es ging. Das war gar nicht so
leicht, denn obwohl Harris und Sackville zu
zerschmettert waren, um den geringsten Widerstand
leisten zu können, war Frederick von Schlägen auf den
Kopf noch benommen, und Jims Fäuste waren
geschwollen.
Am Ende hatten sie sie aber doch hinuntergeschleppt
und in die wartende Droschke verfrachtet. Frederick lieh
sich vom Kutscher einen Strick und band die beiden
vorsichtshalber zusammen. Der Kutscher beobachtete
alles mit Interesse. »Chef, wohin damit?«, fragte er
Frederick. »Nach Smithfield?« Smithfield war der
Londoner Fleischgroßmarkt. Frederick lachte gequält.
»Nein, Polizeiwache Streatham«, sagte er. »Zu Händen
von Inspektor Conway. «
Er holte eine Karte hervor und kritzelte »Mrs. Nellie
Budd: Rechnung beglichen« darauf, dann befestigte er
sie an Sackvilles Mantel und schloss den Wagenschlag.
Jim schaute der abfahrenden Droschke zufrieden nach.
»Wenn der Typ seine Nase noch mal benutzen will, muss
er sie sich erst mit dem Löffel aus der Visage graben. «
»Haben Sie die Zimmerwirtin für den Schabernack
bezahlt?«, erkundigte sich Frederick bei Mackinnon.
»Packen Sie ein paar Sachen zusammen. Sie kommen für
das Wochenende zu uns in die Burton Street - keine
Widerrede. Und bringen Sie meine Uhr mit. «
BELAGERUNG
    Es war halb drei, als sie wieder in der Burton Street
ankamen. Sally rief einen Arzt, der sich Jims
Schnittwunde ansehen sollte, setzte Frederick mit einem
Glas Branntwein in einen Sessel, stellte ein Feldbett für
Mackinnon in Jims Zimmer auf und ging schließlich in
den Laden, um Isabel mitzuteilen, dass Mackinnon hier
sei. Isabel wurde blass und nickte, beugte sich aber
sogleich wieder wortlos über ihre Arbeit.
    Dass er ärztliche Hilfe nötig hatte, dämpfte Jims
Temperament keineswegs. Kaum war die Wunde
versorgt, eilte er in das neue Atelier, um mit den Malern,
die er von früheren Besuchen kannte, Sprüche zu
klopfen. Mackinnon saß mit blassem Gesicht in der
Küche, während Frederick in der Keksdose wühlte. »Hat
man Sie geschlagen?«, wollte Frederick wissen. »Nur ein
paar blaue Flecke. Nichts Schlimmes. « »Das

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