Der Schatten im Norden
haben Sie
gut gemacht, den einen so am Handgelenk zu packen.
Sonst hätte es Jim böse erwischt... «
Die Hintertür ging auf und Jim kam herein. Er schien
verstimmt zu sein, griff in die Keksdose und fläzte sich
auf die Couch. »Das ist ein anderer Trupp Maler«, sagte
er. »Die wollen bloß mit der Arbeit fertig werden. Kein
Gedanken an einen netten Plausch unter Handwerkern.
Erinnert ihr euch noch an die vorherigen, die die Fenster
im Laden erneuert hatten? Einmal schickten sie Herbert
los, er solle einen Schraubenzieher für Linkshänder
ausborgen. Als er keinen auftreiben konnte,
entschuldigten sie sich und sagten, was sie eigentlich
brauchten, sei ein Pfund kleiner Löcher. Sie gaben ihm
ein Zweipencestück und schickten ihn in Murphys
Laden. Ach, unser Herbert ist schon ein Simpel. Aber
was machen wir nun?« »Wir schließen den Laden«, sagte
Sally, die gerade hereingekommen war. »Ich habe Mr.
Blaine und den anderen Angestellten gesagt, sie sollen
früher Feierabend machen. Wir verriegeln alles und
machen es uns bei einer Tasse Tee gemütlich. Ich habe
mir schon gedacht, dass Jim die Kekse aufisst, deshalb
habe ich Gebäck gekauft. Ich hoffe, sie mögen Muffins,
Mr. Mackinnon. Sind die Maler schon fertig?«
Sehr viel später am selben Abend (Isabel war, ohne
Mackinnon zu sehen, geradewegs auf ihr Zimmer
gegangen, Jim hatte sich müde und zerschlagen ins Bett
gelegt und Webster und Mackinnon hatten sich ebenfalls
zur Ruhe begeben), saßen Frederick und Sally allein in
der Küche.
Sie hatte sich in eine Ecke des alten Sofas gekuschelt; er
saß im Lehnstuhl neben dem Kaminfeuer und hatte die
Füße auf den Kohlenkasten gelegt. Die Öllampe auf dem
Tisch warf ihren warmen Schein auf das karierte
Tischtuch, auf die Spielkarten, mit denen Mackinnon sie
unterhalten hatte, auf den goldgelben Whisky in der
Karaffe und auf Sallys blondes Haar. Frederick stellte
sein Glas neben sich auf dem Boden ab.
»Weißt du, dass er sich richtig am Kampf beteiligt
hat?«, sagte er. »Ich meine Mackinnon; er packte Harris
am Handgelenk, als der drauf und dran war, Jim
abzustechen. Was können wir jetzt noch tun, meine liebe
Lockhart? Zuallererst, meine ich, sollten wir die
Zeitungen über diese Heirat informieren. «
»Ganz recht«, pflichtete sie ihm bei. »Morgen früh
gehen wir zur Pall Mall Gazette. Danach... ja, ich werde
wohl Mr. Temple um Rat in der Patentangelegenheit
fragen. Ich glaube, wir haben Bellmann schon fast
drangekriegt, aber ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich
schon am Haken hängt. Die russischen Patente fehlen ---
das ist nebensächlich; das belastet ihn nicht wirklich. Wir
müssen wissen ---«
»Wir müssen wissen, wie weit sein Einfluss reicht. Die
Polizisten, die dein Büro ausgeräumt haben - waren die
echt? Falls ja, dann reicht sein Arm sehr weit. Was für
uns bedeutet, dass wir ganz besonders umsichtig
vorgehen müssen. Es ist eine Frage des richtigen
Zeitpunkts. « »Den müssen wir abpassen... Was waren
das für Leute, die Lord Wytham im Außenministerium
besuchte? Wenn wir herausfinden könnten, für welche
Abteilungen sie zuständig sind, wüssten wir genauer, was
als Nächstes zu tun ist. «
»Das ist kein Problem. Im Ministerium wird viel
geklatscht. Ich gehe Montag nach Whitehall und sehe,
was ich erfahren kann... « Sally wandte sich dem
Kaminfeuer zu und stocherte in der Glut. Asche fiel
durch den Rost, und Funken flogen knisternd in die
Höhe. »Fred?« »Hm?«
»Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut. Wegen
neulich Abend. Es war gehässig von mir, nachher hat es
mich sehr gereut. Ich finde es so schön, wenn wir
zusammenarbeiten. Und wir sind wirklich ein gutes
Gespann. Wenn du immer noch möchtest ---« Sie brach
ab, zu schwer war es für sie, weiterzusprechen. Frederick
richtete sich auf, beugte sich zu ihr und berührte ihr
Gesicht. Just in diesem Augenblick schellte die Glocke
im Laden. Frederick fluchte und lehnte sich zurück.
»Wer zum Teufel kann das sein?«, fragte er.
Sie sahen sich an, dann schauten sie zur Uhr hinauf. Es
war halb elf. »Ich schau mal nach«, sagte er kurz
entschlossen und stand auf. »Ich komme gleich wieder. «
»Sei vorsichtig, Fred«, warnte sie ihn.
Er ging durch den dunklen Laden und schob den Riegel
der Eingangstür zur Seite. Draußen im Nieselregen stand
ein freundlich lächelnder kleiner Herr mit Brille, Melone
und Mantel. »Mr. Garland, wenn ich mich nicht irre?«
Es war der Mann aus der Loge im Varietee -
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