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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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die über ihren
Besuch überrascht schien. »Ich weiß nicht recht, ob... «,
sagte sie zögerlich. »Ja, Mr. Stone ist daheim, aber die
anderen Besucher sagten, sie wollten nicht gestört
werden. «
»Andere Besucher?«, fragte Frederick.
»Ja, zwei Gentlemen. Sie sind vor etwa einer
Viertelstunde gekommen. Vielleicht sollte ich nach oben
gehen und fragen ---«
»Es ist wirklich sehr dringend«, sagte Frederick. »Wenn
wir Mr. Stone selbst sprechen könnten, würden wir ihm
alles erklären. « »Also wie Sie meinen... «
Sie ließ sie herein und führte sie in die Diele im ersten
Stock hinauf. Sie warteten, bis sie sich wieder nach unten
begeben hatte, dann gingen sie vorsichtig bis zur Tür und
horchten. Sie hörten, wie jemand mit schwerer,
undeutlicher Stimme sprach, so als bekäme er nur
mühsam Luft. Die Stimme sagte: »Ah, du bist so ein
durchtriebenes Früchtchen, dass wir dir nicht trauen
können. Wir fangen am besten damit an, dir einen Finger
zu brechen... «
Frederick legte das Ohr noch dichter an die Tür. Man
hörte Mackinnon sagen: »Wenn Sie das tun, schreie ich.
Die Polizei wird gleich hier sein, ich warne Sie ---«
»Oho, du warnst uns«, versetzte darauf die erste Stimme.
»Interessant. Eigentlich dachte ich, wir würden dich
verwarnen. Aber ich muss dir Recht geben wegen des
Schreiens. Damit die Polizei nicht unnötig beansprucht
wird, nehmen wir dieses Handtuch hier. Komm
Sackville, stopf ihm damit das Maul... «
Jim und Frederick sahen sich mit funkelnden Augen an.
Über den würgenden Lauten, die von drinnen kamen,
sagte Frederick leise: »Sackville und Harris! Das ist
unser Glückstag, Jim. Hast du deinen Schlagring parat?«
Jim nickte freudig. Das war genau das, was er sich
gewünscht hatte. »Na, dann los!«
Frederick drehte vorsichtig den Türknauf, dann traten
sie ein. Mackinnon saß auf einem Binsenstuhl, die Hände
hinter der Lehne gefesselt, im Mund ein Handtuch
(dessen Zipfel wie Ektoplasma herausragte) und die
Augen stark hervortretend. Neben ihm stand Sackville
mit einem verblüfften Ausdruck im knorpeligen Gesicht.
Harris, der aussah, als hätte ihn ein Pferd getreten,
schluckte und machte einen Schritt zurück. Frederick
schloss die Tür.
»Soso, ihr könnt aber auch nie genug kriegen«, begrüßte
er sie. »Ihr wisst einfach nicht, wann ihr aufhören sollt.
Schau dir mal deine arme Nase an, Harris, ich dachte, die
Lektion hätte gereicht. « Und zu Mackinnon gewandt:
»Sie kommen später dran. Ich habe wegen meiner Uhr
noch ein Wörtchen mit Ihnen zu reden. « Plötzlich tat
Harris einen Schritt vor und hieb mit einem
Gummiknüppel nach Frederick. Dieser wich aus und
schlug ihm mit seinem Stock auf das Handgelenk, worauf
sich Jim wie ein Terrier auf ihn stürzte und ihn mit
Schlagring, Knien, Kopf und Ellbogen bearbeitete.
Sackville stieß Mackinnons Stuhl beiseite. Der
geknebelte Magier krachte mit gedämpftem Geheul
gegen den Waschständer und rutschte dann, immer noch
an den zerbrochenen Stuhl gefesselt, seitlich bis an die
Wand. Der Schläger griff sich einen anderen Stuhl und
ging damit auf Frederick los. Ehe er aber zuschlagen
konnte, stieß ihm Frederick seinen Stock in die Rippen
und brachte ihn zu Fall. Dann begann ein ernster
Schlagabtausch Mann gegen Mann. Sackville war ein
Kraftpaket, aber Frederick war schnell und gut trainiert,
und er hatte den Vorteil, nie boxen gelernt zu haben. Er
hatte keine Hemmungen, mit den Füßen zu treten oder
Schläge unter die Gürtellinie auszuteilen. Was Jim betraf,
so gab es für ihn im Kampf nichts Unerlaubtes, denn, so
dachte er, wenn du es nicht machst, dann macht es der
Wichser, mit dem du es zu tun hast, also mach es lieber
gleich selber. Und da sich Harris' Nase als Ziel anbot,
rammte er ihm mit der Stirn den Nasenrücken ein.
Unterdessen hatte sich Harris wieder frei gemacht und
trat ihn in die Rippen. Das Zimmer war nicht groß:
Neben der Möblierung, die aus einem Bett, einem
Toilettentisch, einem Waschständer, ein paar Stühlen und
einem Kleiderschrank bestand, war nicht mehr viel Platz
zur freien Bewegung. Harris und Sackville trieb die
Furcht vor Rache zum Äußersten, bei Jim waren es Wut
und Enttäuschung, bei Frederick die Erinnerung an Nellie
Budds zerschlagenes Gesicht, das er in einem
Krankenhausbett gesehen hatte. Keiner verschwendete
einen Gedanken darauf, die Möbel zu schonen. Sie
wurden gegen Wände gedonnert oder über Schultern,
Arme, Köpfe und Rücken geschlagen und lagen in
kürzester Zeit

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