Der Schatten im Norden
habe dafür gesorgt, dass die Kosten für ihren
Krankenhausaufenthalt auf meine Rechnung gehen. Eine
Privatangelegenheit, die ich mit meinem Geld begleiche selbstverständlich könnte ich solche Kosten nicht über
ein Konto der Firma abrechnen, ohne Verdacht zu
erregen. «
»Wozu überhaupt dieser Überfall?«, fragte Frederick.
»Als Warnung für Miss Lockhart«, sagte Mr.
Windlesham schlicht. »Hätten wir Miss Lockharts
Charakterstärke sogleich erkannt, wären wir wohl anders
vorgegangen. Ich war von Anfang an dagegen; Gewalt,
in welcher Form auch immer, ist mir verhasst. Aber Mr.
Bellmann hat sich durchgesetzt. «
Frederick schaute Sally an. Ihr Gesicht verriet keine
Regung. »Ja, Mr. Windlesham, das war höchst
interessant«, schloss Frederick. »Vielen Dank für Ihren
Besuch. Am Ende der Straße gibt es einen
Droschkenstand. «
»Und --- eh --- mein Vorschlag? Sie verstehen, mit
meinem Besuch bin ich ein Risiko eingegangen... «
»Gewiss«, sagte Sally, »das sind Sie wohl. Wir werden
darüber nachdenken. Wo können wir Sie erreichen?« Er
zog eine Karte aus seiner Westentasche.
»Das ist die Adresse eines Büros, wo ich zu erreichen
bin. Ich bin nicht immer dort, aber einen Brief an diese
Adresse bekomme ich innerhalb von vierundzwanzig
Stunden... Miss Lockhart, Mr. Garland, darf ich Sie um
einen Hinweis bitten, wie Sie meinen Vorschlag
beurteilen? Wie Sie bemerkt haben, fange ich an, mir
große Sorgen zu machen... «
Sein Gesicht war gerötet, seine Brillengläser funkelten.
Frederick räusperte sich. »In der Tat. Nun, wenn es zum
Schlagabtausch kommen sollte, machen Sie vorher rasch
einen Abstecher hierher, dann fangen Sie sich keine
Kugeln von uns ein. Bis dahin sollten Sie allerdings
bleiben, wo Sie sind. «
»Oh, danke, Mr. Garland. Danke, Miss Lockhart. Ich
habe einen Abscheu vor jeder Art von Gewalt. Mr.
Bellmann ist ein so unbeherrschter Mann - leicht erregbar
--- von starken Leidenschaften getrieben... «
»Bestimmt. Hier sind Ihr Mantel und Ihr Hut«, sagte
Frederick und geleitete ihn durch den dunklen Laden.
»Sie hören von uns, seien Sie unbesorgt. Guten Abend. «
Er verriegelte die Tür und ging zurück in die Küche.
»Was halst du von der ganzen Sache?«, fragte er. »Ich
glaube kein Wort davon«, antwortete sie ohne Zögern.
»Gut. Ich auch nicht. >Abscheu vor jeder Art von
Gewaltist. Er hat umstandslos einen Mord angeordnet, wie
andere ein Fischmenü bestellen. « »So sehe ich es auch,
Fred. Jetzt erinnere ich mich auch - als er mich in
meinem Büro besuchte und Chaka ihn anknurrte, hat er
nicht mit der Wimper gezuckt. Er lügt - es kann nicht
anders sein. Aber was führt er im Schilde?«
»Keine Ahnung. Zeit gewinnen? Aber das beweist, dass
wir auf der richtigen Spur sind. «
Er setzte sich ihr gegenüber und stellte die Lampe so,
dass er sie sehen konnte. Ihre dunklen Augen blickten ihn
ernst an. »Ja«, sagte sie. »Als er kam, Fred, da ---«
»Da wollte ich dir gerade etwas sagen. Mein Gerede
von neulich, dass ich dich unsympathisch fände und dass
wir demnächst reinen Tisch machen würden, das war
alles Quatsch. Ich könnte nie auf dich verzichten, Sally.
Wir gehören zusammen und wir bleiben es auch. Anders
wollte ich es gar nicht. «
Da lächelte sie --- ein so klares, glückliches,
hingebungsvolles Lächeln, dass ihm das Herz vor Freude
hüpfte. »Sally«, setzte er an --- doch sie widersprach ihm.
»Sag jetzt nichts. « Mit leuchtenden Augen stand sie auf,
beugte sich über die Lampe und blies sie aus. Beide
standen einen Moment im schwachen Schein des
Kaminfeuers. Dann machte sie eine unabsichtliche
Bewegung, wie wenn sie auf ihn zugehen wollte, und
eine Sekunde später lagen sie sich in den Armen. »Sally
---«, sagte er wieder.
»Pst!«, flüsterte sie. »Sprich nicht. Ich habe einen
Grund dafür. « Also küsste er sie stattdessen, küsste sie
auf Augen, Wangen, Hals und den stolzen Mund, und
noch einmal versuchte er zu sprechen. Da legte sie ihm
die Hand über die Lippen.
»Sprich jetzt nicht!«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Wenn
du auch nur ein Wort sagst, werde ich --- werde ich nicht
--- oh, Fred, Fred... « Sie zog an seiner Hand, verlangend
und ungeduldig. Sie öffnete die Tür zur Treppe, und eine
Minute später waren sie in ihrem Zimmer. Das Feuer im
Kamin war heruntergebrannt, aber noch war Glut unter
der Asche und sorgte für Wärme. Die Tür mit dem Fuß
schließend, küsste er sie wieder. Beide
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