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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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wiederhaben. Hast du
etwas über den Typ mit den blonden Haaren
herausgebracht? Er hat mit Lady Mary Wytham geflirtet.
«
»Hat er das?«, sagte Charles. »Interessant. Ich habe
Klatsch über Wytham gehört --- angeblich soll der gute
Mann am Rande des Bankrotts stehen. Inwieweit das
wirklich stimmt, weiß ich allerdings nicht. Und der
blonde Hüne ist ein Finanzier --- soll bei Eisenbahnen,
Bergwerken und im Zündholzhandel die erste Geige
spielen. Ein Schwede. Bellmann heißt er. «
EIN MERKWÜRDIGER VORSCHLAG
    Am nächsten Morgen, noch ehe Frederick überhaupt
dazu kam, Sally von einem möglichen Zusammenhang
zwischen ihrem Fall und Mackinnon zu berichten,
wartete vor dem Büro der Finanzberaterin schon ein
Klient.
    Zumindest glaubte sie, es sei ein Klient. Er heiße
Windlesham, so stellte sich der kleine Herr mit der
Goldrandbrille und den vollendeten Umgangsformen vor.
Höflich wartete er, bis Sally Chaka an seinen Platz
geführt und Hut und Mantel abgelegt hatte. Dann kam er
mit einer Überraschung heraus.
    »Ich vertrete Mr. Axel Bellmann«, begann er. »Ich
glaube, dieser Name dürfte Ihnen bekannt sein. « Sie
setzte sich langsam. Was hatte das zu bedeuten? »Mr.
Bellmann ist zur Kenntnis gekommen«, fuhr der kleine
Herr fort, »dass Sie hartnäckig Nachforschungen über
seine Geschäfte anstellen. Er ist ein sehr beschäftigter
Mann mit zahlreichen Verpflichtungen und Interessen,
daher sind solche unbegründeten Gerüchte, die Sie in
Umlauf zu bringen versuchen, obwohl an sich durchaus
trivial, doch dazu angetan, ärgerliche Turbulenzen zu
verursachen. Mr. Bellmann möchte Ihnen die
Verlegenheit einer schriftlichen Verwarnung und die
Androhung rechtlicher Schritte vorerst ersparen, daher
hat er mich zu Ihnen geschickt, damit ich Ihnen
persönlich seinen Unmut kundtue. Er verbindet damit die
Hoffnung, dass Sie sich diesen Wink zu Herzen nehmen
und einsehen, dass es töricht wäre, den unproduktiven
Pfad, den Sie eingeschlagen haben, weiterzugehen. « Er
faltete die Hände und lächelte sie milde an. Sally hatte
mit hämmerndem Herzen zugehört. Sie war überrascht,
fragte aber nur: »Haben Sie das auswendig gelernt oder
haben Sie das erst beim Reden verfertigt?«
Das Lächeln auf seinem Gesicht verflog.
    »Vielleicht haben Sie mich nicht verstanden«, setzte er
erneut an. »Mr. Bellmann... «
»Ich habe Sie sehr gut verstanden. Mr. Bellmann hat
einen Schreck bekommen und will nun mir einen
Schrecken einjagen. Aber ich lasse mich nicht
abschrecken, Mr. Windlesham. Ich habe einen ganz
bestimmten Grund für meine Nachforschungen und
werde sie fortsetzen, bis ich die Sache aufgeklärt habe.
Und was sollen das für rechtliche Schritte sein, die Sie
erwähnt haben?« Nun lächelte er wieder. »Sie erwarten
doch wohl nicht, dass ich Ihnen das bereits in diesem
Stadium sage. Mr. Bellmann wird über die Anwendung
solcher Schritte entscheiden, sobald ich ihm Ihre Antwort
überbracht habe. «
»Sagen Sie mir doch bitte, welche Funktion Sie in Mr.
Bellmanns Unternehmen haben. «
Die Frage schien ihn nur mäßig zu interessieren. »Ich
bin Mr. Bellmanns Privatsekretär«, sagte er. »Warum
fragen Sie?«
»Reine Neugierde. Nun, Mr. Windlesham, Sie haben
mir viel berichtet. Ich weiß jetzt, dass ich auf der
richtigen Spur bin. Ich frage mich, was Mr. Bellmann so
in Unruhe versetzt. Hat es vielleicht mit der Ingrid Linde zu tun?«
Es war ein Schuss ins Dunkle - aber es war ein Treffer.
Mr. Windlesham holte kurz Luft. Ein lehrerhaftes
Runzeln erschien auf seiner Stirn.
»Ich möchte Ihnen doch zu großer Vorsicht raten«,
drohte er. »Eine unerfahrene Person kann sehr leicht
schwere Fehler in der Interpretation harmloser Tatsachen
machen. Ich an Ihrer Stelle, Miss Lockhart, würde bei
Finanzberatungen bleiben. Und wenn ich mir als
Privatperson eine Bemerkung erlauben darf«, dabei erhob
er sich und griff zu Hut und Stock, »ich habe für die
Frauenfrage stets lebhaftes Interesse und Sympathie
gehabt. Bleiben Sie bei dem, womit Sie sich auskennen,
Miss Lockhart. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Aber
lassen Sie Ihrer Fantasie nicht die Zügel schießen. « Er
hob seinen Stock zum Abschied. Chaka, die diese
Höflichkeitsgeste nicht zu verstehen schien, sprang auf
und knurrte, aber der höfliche kleine Mann zeigte sich
völlig unbeeindruckt.
Der hat vielleicht Nerven, dachte Sally, was mache ich
jetzt bloß?
Kaum war Windlesham aus der Tür, nahm sie Mantel
und Hut und eilte zur Anwaltskanzlei ihres Freundes

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