Der Schatten im Wasser
hing auf die Matratze herunter, die Spitze noch in der Haut.
Zum Teufel, durchfuhr es ihn.
Und im selben Moment wusste er. Das Zeichen.
Mit Daumen und Zeigefinger ergriff er die Spritze und zog sie heraus. Sie war natürlich leer, aber das machte nichts. Robin lag immer noch in derselben Position, er hatte nichts gemerkt.
Micke ging hinaus in die Kochecke und suchte nach etwas, in das er die Spritze einwickeln konnte, Haushalts- oder Toilettenpapier, fand jedoch nur einen grünen Plastikbeutel aus dem Systembolag. Er legte sie hinein und faltete ihn zu einem flachen Päckchen. Er lachte, als er das tat, sein Mund formte sich zu einem schallenden Gelächter, stumm, aber triumphierend.
Das Glück war auf seiner Seite. Das Zeichen.
Eine Weile wanderte er umher und suchte nach dem Geld, öffnete Schranktüren, guckte in der Toilette. Nicht eine Krone. Er ging zurück in Robins Zimmer und bekam Lust, ihn zu treten. Robin hatte sich inzwischen auf die Seite gedreht, ganz oben am Oberschenkel ein weiterer blauer Fleck.
»Ich komme wieder!«, sagte Micke und hob seine Stimme, er stand jetzt aufrecht neben dem Bett. »Ich bin nämlich kein verdammter Feigling, mit dem du je nach Belieben umspringen kannst. Damit das verdammt noch mal klar ist!«
Er fuhr mit der U-Bahn zurück, jedoch nicht nach Hause. Sondern direkt zur Kleingartenhütte. Es gab nämlich einiges vorzubereiten. Er räumte alles vom Tisch und legte die Riemen darauf, vier Stück, die er draußen im Geräteschuppen gefunden hatte. Henry hatte sie um diverse Harken und Spaten gespannt, um die Geräte zusammenzuhalten, damit sie im Winter nicht auseinander fielen. Er war ein ordentlicher Mensch, der alte Henry.
Und dann waren da noch die Kleider. Man muss würdig gekleidet sein, wenn der Tod naht. Er genoss das Wort nahen, es war an sich schon würdig, nahen, sich nähern, Karla Faye Tucker, die in ihren weißen Kleidern dahinschreitet, sich ihrer Strafe und dem Tod nähert, die Zehen angstvoll zusammengekrampft.
Als Nathans Wohnung verkauft werden sollte, hatte man seine Habseligkeiten, also das, was man den Nachlass nennt, aufgeteilt. Nettan wollte nichts haben. Sie ging nicht einmal hin zu dem Treffen. Aber die anderen Frauen waren dort, die Exfrauen, die Zwillinge und Mickes Halbschwestern, sie hatten einander die Hand gegeben und sich begrüßt, neugierig und zugleich feindlich. Er kannte sie nicht, hatte nichts mit ihnen zu tun.
Eine der Frauen, Barbro, leitete das Ganze. Wie eine Art Auktionator. Außerdem war noch ein bulliger Typ dabei, der dasaß und alle Sachen deklarierte. Obwohl es eigentlich nicht besonders viel war. Eine einzige Sache war an Micke gegangen. Ein Beutel mit Judokleidern. Nathan hatte Spaß daran gehabt, die verschiedensten Dinge auszuprobieren. Ein orangefarbener Gürtel lag zusammengerollt in dem Beutel.
Außer den Zwillingen war Barbros Tochter Jenny die Einzige, die mit ihm redete. Sie war die Jüngste. Sie arbeitete als eine Art Fotomodell und posierte in den Katalogen von Ellos.
»Du bist ihm so ähnlich, Micke«, platzte sie heraus. »Mein Gott, wie ähnlich du ihm bist, ich muss fast anfangen zu heulen, wenn ich sehe, wie ähnlich ihr einander seid.«
Sie war hübsch. Schade, dass sie Geschwister waren. Oder Halbgeschwister. Ihm lag auf der Zunge, sie zu fragen, ob sie sich nicht mal treffen wollten, auf ein Bier oder so. Aber er wusste nicht, wie er es sagen sollte. Er wurde innerlich so schüchtern und sprachlos, als sie ihn ansprach.
Nach dem Treffen in Nathans Wohnung hatte er sie nicht mehr gesehen. Aber er blätterte jedes Mal im Elloskatalog, wenn ein neuer herauskam, und suchte nach ihr. Nettan wusste davon nichts. Außerdem würde sie wahrscheinlich sowieso nach der Falschen suchen. Er konnte schon ihre verächtliche Stimme hören:
»Und die soll Fotomodell sein! Leck mich am Arsch, heutzutage kann man anscheinend aussehen, wie man will.«
Inzwischen wehte es ziemlich stark. Der Wind riss an den Fensterläden und ließ die alten Wände erzittern. Dass nur nicht das Dach wegflog, sodass Henry und Märta herkommen mussten. Er würde sie später anrufen und beruhigen. Es ist alles okay, würde er sagen. Ich bin gerade dort gewesen und habe nach gesehen.
Den Beutel mit den Judokleidern hatte er hinter dem Nachttopf unter dem einen Bett versteckt. Er kniete sich hin und zog ihn hervor. Einige Rattenkötel klebten daran. Shit! Er musste Rattengift besorgen. Oder Fallen mit Käsestückchen
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