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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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als Primus Svensson in Babels hus nie vergessen. Das lief im Fernsehen. Wann mag es gewesen sein, Henry? Erinnerst du dich? Anfang der Achtziger? Aber da warst du wohl noch nicht einmal geplant, mein Junge, oder?«
    »Doch, doch.«
    »Jedenfalls hast du da noch keine Fernsehprogramme für Erwachsene gesehen. Aber diese Serie war gut, sie handelte übrigens von einer Kleingartensiedlung, nicht dieser natürlich, sondern von einer im Enskededal. Dort wohnte er, Primus Svensson. Aber sie rissen sie dann zugunsten eines großen Krankenhauskomplexes ab, erinnerst du dich, Henry? Die Bagger … und all die schönen Gärten, die einfach dem Erdboden gleichgemacht wurden. Räuberei und Willkür, so war das nämlich.« Sie hielt inne und zog die Nase hoch. Der Kater strich um ihre Beine. Sie streichelte ihn gedankenverloren.
    »Tja, und dann gab es da noch die Tre Knas. Aber das war lange, lange vor deiner Zeit. Das waren Gösta Bernhard und Gunnar Knas Lindqvist und eben Carl Gustaf Lindstedt. Tre Knas, die drei Verrückten, nannten sie sich.« Sie kicherte angesichts der Erinnerung daran.
    Total albern, dachte er. So verdammt albern.
    Doch er zeigte es nicht. Laut sagte er:
    »Aha, kommt daher der Ausdruck knasig, also verrückt?«
    »Hm! Da magst du Recht haben. Wahrscheinlich ist es so. Dumm bist du nicht gerade.«
     
    Eines Tages, als er gerade den Rasen gemäht hatte, erhielt er einen Ersatzschlüssel für das Häuschen.
    »Wir möchten, dass du ihn bekommst.« Henry machte eine ernste Miene. »Falls uns etwas passieren sollte. In unserem Alter kann man nie wissen. Der Sensenmann kann jederzeit zuschlagen. Und manchmal schlägt er nicht kräftig genug, sodass man wie ein verdammter Broiler liegen bleibt. Wie gesagt, man kann nie wissen. Wir haben darüber gesprochen, Märta und ich. Außerdem ist es immer gut, wenn es einen Reserveschlüssel gibt. Wir hätten ihn auch genauso gut einem Nachbarn geben können. Aber ehrlich gesagt, wir haben nicht gerade großes Vertrauen in unsere Nachbarn. Oder, wie soll ich sagen. Verstehst du, wir möchten nicht, dass einer von ihnen hier hereinschaut und … tja, herumschnüffelt. Denn das hier sind unsere eigenen vier Wände. Nicht, dass wir mit unseren Nachbarn nicht klarkommen würden. Das meine ich nicht. Aber es wird so unglaublich viel geredet. Was man so tut. Und lässt. Verstehst du, was ich meine?«
    Micke nickte. Der Schlüssel lag in seiner Hand. Er war an einem länglichen Stück Plastikgeflecht befestigt. Grünweiß und mit Punkten von schwarzgrauem Fliegenschiss.
    »Du wohnst doch gleich in der Nähe, vielleicht könntest du öfter mal nach dem Rechten sehen? Ich meine, während des Winterhalbjahres. Denn im Winter sind wir nicht hier. Jedenfalls nicht so oft. Es ist nämlich jedes Mal ein Gräuel mit dem Fahrdienst. Und außerdem … was sollten wir im Winter auch hier machen? Nein, es erscheint uns nicht besonders verlockend.«
    Micke nickte erneut.
    »Das tue ich gerne«, antwortete er.

»DU BIST SPÄT DRAN«, begrüßte er sie freundlich. »Wir haben gewartet, Christa und ich. Darauf gewartet, dass unsere Mama nach Hause kommt.«
    Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Beim Schlucken spürte sie einen dicken Kloß im Hals. Sie hob den Deckel vom Topf mit den Kartoffeln und prüfte mit einer Gabel, ob sie gar waren, obwohl sie wusste, dass es noch mindestens zehn Minuten dauern würde.
    »Wir haben gewartet«, wiederholte er, diesmal lauter, und sie hörte seine Schritte näherkommen. »Oder, Christa, wir haben doch gewartet?«
    »Ja, Papa.« Die dünne, unterwürfige Stimme des Mädchens.
    »Das Essen ist gleich fertig«, murmelte sie und verbrannte sich am Deckel. Zuckte zusammen und ließ ihn los. Er fiel klappernd auf die Emaillefläche.
    Jetzt war er ganz nahe, dicht hinter ihr, und sie ahnte seine verhaltenen Atemzüge.
    »Wo bist du gewesen?« Sein Arm lag um ihren Körper, er hielt sie mit festem Griff.
    »Aber … bei der Arbeit natürlich.«
    »Aha, bei der Arbeit also.«
    »Ja.«
    »So lange?«
    »Es kam kein Bus, ich musste warten … ich war beim Konsum einkaufen, und dann habe ich den Bus verpasst, weil die Schlange an der Kasse so lang war. Also musste ich warten … sie fahren nicht so oft, das weißt du doch.«
    Er drehte sie zu sich um, seine Augen waren klein und eisblau. Dass sie diese Augen und seine blonde, wilde Kraft einmal geliebt hatte, dass sie einmal …
    »An der Kasse«, wiederholte er und äffte ihre Stimme nach. »Die Schlange vor der

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