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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zu.
    Ihr war klar, was er meinte, und für einen Augenblick erwog sie tatsächlich, ihr Schweigen zu brechen und zu verraten, was der Duke of Clarence unter Hypnoseeinfluss ausgesagt hatte. Der Herzog selbst war die noch fehlende Verbindung zwischen den Whitechapel-Morden und der Thot-Sekte. Die Vollmacht vorzuzeigen, die er ihr ausgestellt hatte, würde alles ändern – aber Sarah hatte geschworen, kein Wort darüber zu verlieren, was im Audienzzimmer geschehen war. Es musste eine andere Möglichkeit geben, die Wahrheit ans Licht zu bringen – oder gar keine…
    »Mir tut es auch leid, Sir«, sagte sie deshalb nur. »Und ich hoffe, dass Sie Ihren Entschluss nicht bereuen werden.«
    »Sicher nicht«, meinte Devine überzeugt.
    Sarah und du Gard wandten sich ab und verließen das Büro des Commanders.
    Mortimer Laydon entschuldigte sich bei den Anwesenden mit einer leichten Verbeugung, dann verabschiedete auch er sich. Er hatte alle Mühe, zu Sarah und du Gard aufzuschließen, denn in ihrer Wut legte Gardiner Kincaids Tochter ein beachtliches Tempo vor, das sie durch die ehrwürdigen Korridore des Yard fegen ließ wie ein mittelschweres Yorkshire-Gewitter. Erst im Hof, wo die Kutschen parkten, gelang es ihm, sie einzuholen.
    »Idioten«, schnaubte Sarah, ungeachtet der Tatsache, dass die Posten am Tor sie hören konnten. »Einfältige Idioten.«
    »Sarah, um Himmels willen, beruhige dich«, beschwichtigte sie Laydon, der einigermaßen außer Atem war.
    »Ich soll mich beruhigen?« In ihren blauen Augen blitzte es. »Einfacher gesagt, als getan, Onkel, wenn man es mit derart geballter Borniertheit zu tun hat.«
    »Dennoch musst du dich beruhigen«, beharrte der Doktor.
    »Hast du nicht gesehen, was dort drin passiert ist? Warst du nicht dabei? Zur Närrin haben sie mich gemacht, haben mich behandelt wie ein unmündiges Kind.«
    »Das ist Unsinn, und das weißt du«, wehrte Laydon ab. »Aber solange du deine Theorien nicht beweisen kannst…«
    »Mais oui, sie kann sie beweisen«, widersprach du Gard.
    »Was?«
    »Maurice«, rief Sarah barsch. »Das gehört nicht hierher.«
    »Au contraire, ma chère – es gehört sehr wohl hierher. Hättest du diesen unerfreulichen messieurs mitgeteilt, was der Herzog gesagt hat, brauchtest du nicht hier zu stehen und in hilflosem Zorn die Fäuste zu ballen, n’est pas?«
    »Ich verstehe kein Wort«, gestand Laydon ein wenig verwirrt. »Von welchem Herzog sprechen Sie?«
    »Vom Duke of Clarence«, antwortete du Gard ohne Zögern und sehr zu Sarahs Missfallen. »Bei unserer letzten Begegnung hat der königliche Erbe einige Dinge gesagt, die Sarahs Theorie von der Thot-Sekte und dem Buch der Geheimnisse stützen.«
    »Ist das wahr, Sarah?«, fragte Laydon verblüfft.
    »Ja«, gestand sie widerstrebend.
    »Warum, in aller Welt, hast du nichts davon gesagt?«
    »Weil ich dann hätte offenbaren müssen, was genau der Duke uns verraten hat, und ich habe ihm mein Wort gegeben, dies nicht zu tun.«
    »Nun«, meinte Laydon, und seine ältlichen Züge nahmen einen etwas befremdeten Ausdruck an, »bei aller Sympathie für deine Haltung und für die Loyalität, die du dem Enkel Ihrer Majestät entgegenbringst, bin ich mir nicht sicher, ob dein Versprechen unter diesen Voraussetzungen noch Gültigkeit hat. Immerhin geht es womöglich um das Schicksal des gesamten Empire, und ich denke, dass…«
    »Ich soll mein Wort brechen?« Sarah lachte freudlos. »Und das aus deinem Munde! Ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet du von mir verlangst, dass ich dem Duke gegenüber wortbrüchig werden soll. Meine unverbrüchliche Loyalität gehört in der Tat diesem Land und den Menschen, die es repräsentieren – und das bedeutet, dass ich kein Mitglied der königlichen Familie diskreditieren werde, nur weil diese Holzköpfe dort nicht in der Lage sind, das Ausmaß der Bedrohung zu begreifen.«
    »Bien, was willst du stattdessen tun?«, fragte du Gard.
    »Ich weiß es noch nicht.« Sarah holte tief Luft. »Aber ich werde nicht alles verraten, woran ich glaube – und wenn ihr etwas auf euch haltet, solltet ihr das ebenfalls nicht tun.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und stieg in eines der Hansom Cabs, die im Hof bereitstanden. Sarah wartete nicht erst ab, bis ihr Onkel oder du Gard sich zu ihr gesellten, sondern wies den Kutscher an, sofort abzufahren. Der Kutscher ließ die Zügel schnalzen, und das schnittige Gefährt schoss davon.
    »Merde«, bemerkte du Gard unfein, während das Cab durch das

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