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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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kalt, wässrig, schleimig und hatte schon eine Haut …
    Plötzlich war alles zu viel für Annas. Diese dumme Frau, die einfach nur dastand und die Hände rang – sie war an allem Schuld! Sie war eine Erwachsene. Man musste sich doch auf sie verlassen können! Sie hatte zu wissen, was zu tun war! Ich hasse sie, dachte Annas mit wilder Inbrunst. Sie ist zu gar nichts nütze! Sie gibt mir kalten Haferbrei und ist beim Waschen grob und behandelt mich wie ein Wickelkind! Wer ist sie überhaupt? Was ist das für ein Zimmer? Warum bin ich hier? Ich will – ich will zu meiner …
    Sofort war die Wand da, schwarz und glänzend, ragte vor ihr auf, als ob sie gleich auf sie herunterfallen, sie zu Boden drücken und für immer im Dunkeln gefangen halten wollte … Annas stieß einen Schrei aus – sie schrie ihr Elend, ihren Zorn und ihre Enttäuschung heraus, und ihr Entsetzen. Dann schleuderte sie die Schüssel mit dem verhassten Brei auf das einzige Ziel, das sich ihr bot.
    Als Annas sah, wie der Frau der zähe Inhalt über das Gesicht lief und langsam die Haare hinunterrutschte, brach sie lauthals in Tränen aus.
     
    Seriema durchmaß mit rastlosen Schritten ihr Arbeitszimmer, kreuzte den dicken Teppich vom Fenster zum Kamin und wieder zurück. Dieser schlichte, getäfelte Raum, der sehr behaglich war, aber keinerlei weibliche Note besaß, und dessen zweckmäßige Möblierung sich seit dem Tod ihres Vaters nicht verändert hatte, war normalerweise hinreichend geeignet, um sie zu besänftigen. Doch heute Abend war sie unfähig, sich zu beruhigen. Seit der Begegnung mit Gilarra und später mit diesem Kind – der grässlichen neuen Verantwortung, die ihr die Suffraganin aufgehalst hatte – war sie zu angespannt und bekümmert gewesen, um zu irgendeiner sinnvollen Tätigkeit zurückzukehren, zu erregt, um sich zu entspannen, zu ärgerlich, um zu essen, und viel zu verstört, um sich den wartenden Unterlagen zuzuwenden, die sich auf ihrem Schreibtisch häuften.
    Gilarra, komm zurück, dachte sie kläglich. Ich habe den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen.
    Sie hätte ein Dienstmädchen zu der Kleinen schicken sollen. Aber eingedenk der grausigen Tat, die Annas hatte miterleben müssen, hatte sie geglaubt, es sei besser, wenn sie selbst als Erste mit ihr spräche. Wer weiß, was aus dem Kind nach dem Aufwachen herausbrechen würde, so hatte sie überlegt. Es wäre nicht gut, wenn das einer strohköpfigen, tratschenden Hausangestellten zu Ohren käme, die dann, noch bevor die Nacht um wäre, eine völlig verdrehte Fassung der Geschichte in der ganzen Stadt verbreiten würde.
    Seriema blieb am Fenster stehen und schob die dicken, weinroten Vorhänge beiseite. Der Sturm trieb den Schnee in dichten Schwaden am Fenster vorbei. Das frisch gewaschene Haar klebte ihr feucht im Nacken, und die kalte Zugluft ließ sie frösteln. Es hatte ewig gedauert, bis sie sich ganz allein den Haferbrei aus den Haaren gewaschen hatte. Aber sie dankte Myrial dafür, dass sie Presvel und Marutha an diesem Abend freigegeben hatte, bevor die beschämende Niederlage sich ereignete. Bei ihrer aufgewühlten Stimmung und ihren Zweifeln, wären das besorgte Herumschleichen und ständige Bemühen ihres obersten Dieners nur noch ein weiteres Ärgernis gewesen. Und was Marutha betraf … Seriema ballte die Fäuste. Die alte Haushälterin, die unverhohlen und lautstark ihre Missbilligung darüber geäußert hatte, dass ihre Herrin das Waisenkind von vagabundierenden Händlern aufnahm, hätte sie schier zur Verzweiflung getrieben.
    Doch was könnte ich ihr entgegenhalten?, dachte Seriema. Wir wissen beide ganz genau, dass sie Recht hat. Was soll ich schon mit einem kleinen Kind anfangen? Ich weiß nichts über Kinder – und habe nie etwas wissen wollen! Ich mag sie nicht einmal so sehr, wie die meisten Frauen es zu tun scheinen. Und schon habe ich die Sache verdorben. Sie ist unglücklich, sie hasst mich … Oh, großer Myrial, wie soll ich nur damit fertig werden?
    Sie fühlte sich beschämt und wusste nicht weiter. Da stand sie nun, die reichste, härteste und mächtigste Frau in ganz Callisiora, und ein gereiztes kleines Mädchen war genug, um sie durcheinanderzubringen und ihr Angst einzujagen. Feige war sie aus dem Raum geflohen, während ihr der Haferbrei von der Stirn tropfte, hatte die Tür zugeschlagen und das schluchzende Kind eingeschlossen. Was für ein Abgang für eine erwachsene Frau!, tadelte sie sich. Doch sogleich vergrub sie diesen

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