Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Gefallenen abwischte, und Kaz leckte sich mit roter Zunge das Blut von den Lefzen.
»Na siehst du, Mädchen, was habe ich dir gesagt? War überhaupt keine Schwierigkeit«, meinte Toulac munter und schlug Veldan auf die Schulter. »So. Wenn ihr beide jetzt mal die Leichen beiseite zieht, damit wir auf dem Rückweg nicht über sie fallen, dann gehe ich inzwischen kurz in den Tempel und sehe nach, was da los ist.«
»Toulac, vielleicht sollte ich das tun«, begann Veldan wieder. »Ich fühle mich wirklich nicht mehr unsicher. Ich kann im Kampf allein zurechtkommen – das habe ich jetzt bewiesen. Es ist nicht nötig, dass du dauernd auf mich aufpasst.«
»Unsinn. Das hat damit nichts zu tun. Ich kenne hier jeden Winkel, weißt du, jede Ritze und jedes Versteck. Hab in diesem Bau zwei Jahre lang Dienst getan. Ich könnte tagelang da drinnen herumschleichen, ohne dass sie mich finden würden. Also hör auf, dir Gedanken zu machen, und habt keine Angst, wenn ihr eine Weile nichts von mir hört. Solange nichts passiert, komme ich nicht zurück. Habt ein Auge auf die Tür und lasst euch nicht sehen, besonders unser großer Freund hier. Veldan würde ja noch als Pilgerin durchgehen, die sich verlaufen hat – zumindest wenn niemand die Leichen entdeckt –, aber es dürfte schwierig werden, für Kaz eine Erklärung zu finden. Also, wenn jemand kommt -«
»Toulac, das weiß ich alles von selbst«, fiel Veldan ihr plötzlich verärgert ins Wort. »Um Himmels willen, ich habe acht Jahre Kampferfahrung auf dem Buckel. Wenn du jetzt gehen willst, dann geh, und verschwende keine Zeit damit, mich zu belehren, als wäre ich noch nicht trocken hinter den Ohren.«
Toulac zuckte die Achseln. »Schon gut. Ich habe den Wink verstanden. Sei nur vorsichtig, das ist alles.« Dann verschwand sie.
Kaz stieß seufzend die Luft aus. »Wie kommt es nur, dass alte Leute immer das letzte Wort haben müssen?«
Veldan schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Frag mich das, wenn ich alt bin. Und wenn man sich nach Toulac richten kann, dann wirst du mehr Antworten von mir bekommen als dir lieb ist.«
Nun, da die Köchin das Haus verlassen hatte, war es für Marutha einigermaßen sicher, das eifersüchtig bewachte Reich des alten Drachen zu betreten. Die beiden Frauen hatten einander nicht mehr Auge in Auge gegenübergestanden, seit sich der unglückliche Vorfall mit dem Kräutertrank von Maruthas Großmutter ereignet hatte, jenem übel riechenden, grünen Gebräu, von welchem die Haushälterin beschloss, dass er genau das Richtige wäre, um Seriemas Husten zu kurieren.
»Woher hätte ich wissen sollen, dass das ihr bester Topf war?« brummte Marutha, während sie sich in das sauber aufgeräumte Lager der Köchin schlich. »Und es stimmt auch nicht, was sie über meine Großmutter gesagt hat. Sie war keine alte Hexe. Und es stimmt auch nicht, dass die Küche einen Monat lang gestunken hat! Einen oder zwei Tage vielleicht, aber die dumme Schnepfe hatte keinen Grund, solch ein Theater zu veranstalten …«
Marutha hatte die ganze Zeit über das Gefühl, beobachtet zu werden. Doch als sie sich umschaute, war da nur die alte Katze der Köchin, die von ihrem gewohnten Platz auf der Wolldecke vor dem Feuer zu ihr herüber sah. »Kümmere dich um deine eigenen Sachen, du stinkender, schäbiger Sack Flöhe«, sagte sie. »Du bist mir zu neugierig – wie gut, dass du nicht reden kannst.« Mit der Katze stand sie auf Kriegsfuß seit dem ebenso unglücklichen Vorfall mit der toten Ratte in Seriemas Bett.
Leise und verstohlen zog sie einen Hocker unter dem Tisch hervor und trug ihn in die Speisekammer. Schwerfällig stieg sie hinauf, hielt sich am Regal fest und kramte auf dem obersten Brett, wo die Tontöpfe mit eingemachtem Obst und Gemüse standen, die in besseren Zeiten gehortet und jetzt sparsam verbraucht wurden. Sie umfasste eine schlanke Flasche und seufzte. Da war er also! Der geheime Branntweinvorrat der Köchin, den sie für Puddings und Saucen brauchte und von dem sie sich jeden Abend, wie Marutha unterstellte, etwas in die heiße Milch tat. Mit der Flasche in der Hand kletterte sie äußerst vorsichtig wieder herunter. Wie weit eine anständige Frau doch heutzutage gehen musste, um an einen guten Schluck zu kommen! Seriema kennzeichnete mittlerweile die Karaffen in den Zimmern, nachdem eine Reihe sehr unangenehmer Fragen – an Marutha –, dazu geführt hatten, dass das Hausmädchen entlassen wurde. Seitdem hatte die Haushälterin
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