Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
zu schnell hinzu. »Keine Heldentaten für ein Pferd, das verspreche ich.«
Veldan lächelte. Sie hatte das große graue Schlachtross völlig vergessen. »Selbstverständlich werden wir ihn holen«, versicherte sie. »Wahrscheinlich werden wir ihn sogar brauchen. Kaz wird der Weg ganz schön lang werden, wenn er uns beide tragen soll.«
Auf Toulacs Gesicht machte sich ein freudiges Grinsen breit. »Danke, Mädelchen. Das bedeutet mir eine Menge.« Und im nächsten Moment schlich sie schon den Gang hinunter und bog um die Ecke.
Veldan hatte kaum Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, da kam Toulac schon wieder zurück. »Nur vier«, flüsterte sie. »Ansonsten ist da unten alles ruhig. Jetzt hört mir zu. Man könnte denken, dass die nächste Tür, die zu den Gängen hinter dem Tempel führt, derjenigen gegenüberliegt, durch die wir kommen werden. Das stimmt aber nicht – sie ist an der linken Wand, wenn man reinkommt. Dieser Wachraum ist doppelt so groß wie der obere, also haben wir mehr Platz zum Manövrieren. Jetzt aufgepasst, ihr beide: Tötet sie schnell und leise. Wir wollen nicht, dass im Tempel jemand unsere Ankunft bemerkt. Kazairl, du gehst voran, und ich will, dass du geradewegs auf die andere Tür zuhältst, vorzugsweise über so viele Wachen hinweg, wie du schaffen kannst.« Dann grinste sie breit und fuhr fort: »Dann kommt deine wichtigste Aufgabe: Du musst den Durchgang versperren, sodass niemand in den Tempel gelangen und Alarm geben kann. Das restliche Unternehmen wird leicht sein. Wir werden sie uns einen nach dem anderen vornehmen. Aber denke daran, Kaz: egal, was in dem Raum passiert, du darfst dich nicht von der Tür weg bewegen. Veldan und ich kommen sehr gut allein zurecht.«
Sie tätschelte Veldan den Arm. »Zweifle nicht an dir, Mädchen. Offensichtlich hat dich jemand vor nicht allzu langer Zeit ganz hübsch aufgeschlitzt. Aber keine Sorge. Du musst nur wieder in Schwung kommen.«
Veldan machte ein erstauntes Gesicht. Wie konnte Toulac das wissen?
»Dazu musste ich keine Gedanken lesen«, erklärte die Alte. »Ich habe die Narben gesehen – frische Narben –, als du in meinem Haus geschlafen hast. Ich habe zu meiner Zeit ein paar wirklich schlimme Verwundungen davongetragen, und ich weiß, wie sehr so etwas das Selbstvertrauen beeinträchtigen kann. Aber glaub mir, Mädchen – du wirst dich ausgezeichnet schlagen. Denk an die Kämpfe, die du hinter dich gebracht hast, ohne einen Kratzer abzubekommen. Du wirst jetzt darüber hinwegkommen und deine Kaltblütigkeit wiedererlangen, und zwar rechtzeitig vor dem großen Kampf, den wir da draußen bestehen werden.« Dann fügte sie hinzu: »Sei unbesorgt, ich halte dir den Rücken frei.«
»Danke, Toulac«, sagte Veldan und drückte ihr die Hand.
»Braves Mädchen. Also, dann wollen wir mal. Jeder bereit?« Toulac schaute von einem zum anderen. »Dann los!«
Im Wachraum saßen die Soldaten am Kaminfeuer beim Würfelspiel. Sie rissen die Augen auf und sprangen auf die Füße, als der Feuerdrache durch die Tür brach. Kaz hielt wie befohlen sofort auf den Ausgang zu, um ihn zu besetzen. Dabei verfehlte er Veldan knapp mit dem Schwanz, als er sich in dem engen Raum umdrehte, doch mit der Geschicklichkeit langer Übung warf sie sich rechtzeitig in eine Ecke, und der Schwanz ging auf den ersten Soldaten nieder, der die Tür zu erreichen versuchte. Der Drache zog seinen Schwanz aus dem Weg, und Veldan drang mit einer Behändigkeit auf den zweiten Soldaten ein, die den erschrockenen Mann bis ans Feuer zurückweichen ließ. Die Aufmerksamkeit der Wachleute wurde von dem furchterregenden Ungeheuer in Anspruch genommen, und keiner von ihnen hatte die beiden Frauen als gefährliche Gegner wahrgenommen. Wenngleich Veldan sich noch ein wenig schwach fühlte, so war es doch nicht der Schwertarm gewesen, wo sie zuletzt verwundet worden war, und sie erlangte in der Hitze des Gefechts recht bald ihre früheren Fähigkeiten wieder. Ihr Gegner versuchte gleichzeitig den Drachen im Auge zu behalten, was ihn gehörig ablenkte, und in seiner Verteidigung taten sich Lücken auf, die groß genug waren, um ein Pferd mit Wagen hindurchzulassen. Veldan konnte ihm mit Leichtigkeit das Schwert zwischen die Rippen stoßen, wo es mit tödlicher Genauigkeit geradewegs ins Herz drang. Es war ein schneller, nüchterner Kampf, der schon vorbei war, bevor Veldan es richtig begriffen hatte. Sie drehte sich nach Toulac um, die soeben ihr Schwert am Hemd eines
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