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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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hoch empor. Der Weg führte nun viel steiler bergan und verengte sich zu einem schmalen Pfad. Wegen des starken Gefälles stieg Veldan von Kaz herunter und ging zu Fuß weiter. Den Seher nahmen sie in die Mitte, denn er hatte große Schwierigkeiten, sich zwischen den engen Felsen voranzuschieben, und falls er stecken bliebe, würde Kaz ihn nur von hinten befreien können.
    Durch den Hohlweg fegte ein eisiger Wind und peitschte den Regen vor sich her. Es schien, als wären Luft und Wasser eins. Der Wind heulte und stöhnte, und das Echo seiner schrecklichen Klage wurde von den Felsen hin und her geworfen, als schrien dort die verlorenen Seelen all derer, die an diesem rauen und gefährlichen Ort ihr Leben gelassen hatten …
    »Bockmist!«, knurrte Kaz. »Vergiss das mit den verlorenen Seelen, Boss – es sei denn, du willst ihnen folgen. Mach dir lieber Gedanken über das Wasser. Hörst du es nicht?«
    Tatsächlich bemerkte Veldan erst jetzt, dass da nicht nur der Wind brauste. Unter dem Heulen des Sturms hörte sie ein tiefes, hohles Tosen. Veldan murmelte einen deftigen Fluch. Irgendwo hatte sich das Wasser auf dem Plateau gesammelt, und jeden Moment würde eine Wasserwand auf den Pfad herunterdonnern und sie alle drei hinwegfegen.
    »Tschaaaa!« Das verachtungsvolle Schnauben ließ sie zusammenfahren. »Ehrlich – du und deine blühende Fantasie! Dein Gehirn dagegen welkt wohl bei diesem Regen. Wir werden nicht hinweggefegt, Schätzchen. Wenn eine Überschwemmung kommt, wird unser dicker Freund hier feststecken wie ein Korken in der Flasche. Du wirst nicht mehr abbekommen als einen kalten Guss und ein, zwei blaue Flecke, und ich – nun, ich bezweifle, dass ich überhaupt nasse Füße bekomme!«
    Der Feuerdrache kicherte, und Veldan musste seufzen. Leider war er außer Reichweite. Andererseits wusste sie aus bitterer Erfahrung, genauer gesagt durch viele angeschlagene Zehen und aufgeschürfte Fingerknöchel, dass Tritte und Schläge gegen seine schuppige Haut keinerlei Wirkung erzielten, ebenso wie ihre Drohungen und Proteste nichts gegen seine scharfe Zunge und seinen merkwürdigen Humor ausrichten konnten. Zwar nannte er sie häufig ›Boss‹, aber ihre Partnerschaft gründete sich auf Ebenbürtigkeit und gegenseitigen Respekt; diese Anrede benutzte er mehr als Kosenamen, um sie aufzumuntern, wenn sie niedergeschlagen war. Er konnte sie rasch zur Verzweiflung treiben, aber sie liebte ihn herzlich.
    Inzwischen hatten sie einen Abschnitt auf dem Pass erreicht, wo rechter Hand die Felsen weniger steil anstiegen. Oberhalb des Weges wuchsen die letzten Kiefern. Einige neigten sich in einem gefährlichen Winkel über den Weg, da der Regen das Erdreich allmählich unter den Wurzeln wegwusch … Veldan erschrak. Dieser Ort war eine Todesfalle. Wie lange würde es noch dauern, bis ein Erdrutsch käme? Wie lange noch?
    Die nächste Wegbiegung brachte sie an die Quelle des tosenden Lärms. Veldan schnappte vor Bestürzung nach Luft. Selbst Kaz fand keinen flinkzüngigen Kommentar. Auf der linken Seite, wo der Pfad eine enge Kurve beschrieb, gab es eine Lücke zwischen den Felsen und ein Geröllfeld, das zunächst sanft abfiel und dann vor einer Schlucht endete. Dies ist der größte Glücksfall, der mir seit langem zugestoßen ist, dachte Veldan mit bitterer Ironie. Auf der rechten Seite floss ein reißender Bach von der Felskante herab und nahm den kürzesten Weg nach unten, indem er den Weg auf zwanzig Schritt Breite in einen braunen, sprudelnden Fluss verwandelte und dann auf der anderen Seite in die Schlucht stürzte. Veldan trat ein Stück zurück, denn das Tosen war ohrenbetäubend.
    »Also schön, die gute Nachricht: Wir sind nicht hinweggefegt worden«, sagte Kaz lakonisch. »Die schlechte: Wir müssen durch diese Flut waten …«
    »Die Pest soll sie holen! Reißt unsere Pechsträhne denn nie ab?«
    Um alles noch schlimmer zu machen, war ihr Blick auf den überfluteten Weg plötzlich durch einen nebligen Schleier getrübt, denn ihr stiegen die Tränen der Wut und Enttäuschung in die Augen. Und sie dachte daran, dass ihr altes Ich – dasjenige, welches vor ihrem jüngsten Zusammenstoß mit dem Tod existiert hatte – mit solchen Lappalien spielend fertig geworden wäre. Vielleicht behält Cergorn am Ende doch Recht, dachte sie. Vielleicht hätte ich diese Mission noch nicht übernehmen dürfen. Ihre damalige Argumentation – dass sie schnellstmöglich wieder etwas unternehmen musste, um den Mut nicht völlig

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