Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
aus der Bande heraus. »Was fällt euch denn ein, zum Teufel? Warum verpisst ihr euch nicht einfach? Wir erledigen hier nur ein paar Aufträge von Seriema, und dabei können wir die netten Jungs von der Garde in ihrer hübschen Rüstung nicht gebrauchen. Steckt eure Nasen gefälligst nicht in Dinge, die euch nichts angehen!«
Der Leutnant verzog keine Miene. Stattdessen gab er einen wortlosen Befehl, woraufhin ein Soldat Felyss seinen Mantel gab. Ivar nahm seine weinende Frau in den Arm. Das Haar hing ihr wirr ins Gesicht, sie war mit dem Blut des Getöteten besudelt. Ivars zerschlagenes Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen. Er schaute dankbar zu dem Soldaten auf, doch ließ er die Schultern hängen ob seines hoffnungslosen Scheiterns. Die Gottesschwerter hatten ihn bei einer Bluttat gefasst, und damit stand sein Todesurteil fest.
In die eisige Stille hinein klang das laute Geräusch eines eingelegten Armbrustbolzens. Der Soldat hob die Armbrust und zielte auf den Bandenführer. Der wurde weiß im Gesicht und trat von einem Fuß auf den anderen. Schließlich ließ sich der Leutnant in kalter Verachtung zu einer Antwort herab: »Mir ist bekannt, dass Seriema dieses von Krankheiten befallene Elendsviertel beseitigen will. Mir ist ebenso bekannt, dass sie den Menschen, die dadurch ohne Bleibe sein werden, vorübergehend in ihren Lagerhäusern am Fluss ein Obdach gewährt. Wie ist also der Wortlaut ihres Befehls an euch?«
Der Anführer machte einen Schritt rückwärts. »Also – die Häuser räumen, damit sie – äh – abgerissen werden können – Herr. Wir sollten den Pöbel hier raussetzen und zusehen, dass sie keinen Ärger machen. Und dafür sorgen, dass keiner zurückgekrochen kommt, sobald wir ihnen den Rücken zugedreht haben.«
Der Leutnant sah ihn mit unbewegter Miene an. »Ich verstehe. Sag’s mir, falls ich mich irre, aber ich konnte den Befehlen keine Anweisung zur Notzucht entnehmen.«
Der Anführer sah sich einen Moment lang auf schwankendem Boden, doch dann fasste er sich wieder und zeigte auf den Toten. »Was ist mit dem da? Das war glatter Mord. Ich verlange, dass das Gesindel eingesperrt wird! Was unser Mann gemacht hat, war nur eine Lumperei.«
Der Leutnant stieß die blutüberströmte Leiche mit dem Fuß an. »Wir haben keinen Mord gesehen«, wandte er leichthin ein. »Es scheint mir, dass es ein Unglück war. Ist wohl gestolpert und in sein Messer gefallen – nicht wahr, Sergeant?«
Der stämmige kahle Mann mit der Armbrust wandte den Blick einen Moment von seinem Ziel ab. »Ganz sicher. Wie du gesagt hast: Er ist in sein Messer gefallen. Scheußliche Klinge, nicht wahr? Er hätte vorsichtiger sein sollen.«
»Da hast du’s«, sagte der Leutnant freundlich. »Offensichtlich handelt es sich um einen Unglücksfall. Und um weiteren Missgeschicken unter euch vorzubeugen, schlage ich vor, dass du deine Männer nimmst und verschwindest – sofort.«
Der Anführer starrte ihn mit offenem Mund an. »Aber Herr – Seriema hat befohlen -«
»Seriema kann sich an mich wenden, wenn es irgendein Problem gibt. Leutnant Galveron. Stellvertreter von Hauptmann Blank. Sie findet mich jederzeit in der Zitadelle.« Obwohl der Leutnant kaum die Stimme erhob, genügten doch sein vorgeschobenes Kinn und das kalte Glitzern in seinen Augen, damit der Schlägertrupp zusammenrückte.
»Äh – richtig, Herr. Wir werden jetzt also gehen«, stammelte der Anführer.
»An eurer Stelle würde ich erst das Feuer löschen«, sagte Galveron prompt. »Und noch etwas: Wenn du wieder bei deiner Herrin bist, dann richte ihr doch von mir aus, dass ich keine Notzüchtigungen durch ihre Knechte dulde. Wenn das noch einmal vorkommt, werde ich sie persönlich verantwortlich machen. Ist das klar?«
Der Mann schluckte. »Ich soll ihr das sagen?«
Die Armbrust hob sich ein wenig.
»Jawohl, Herr«, stieß er hervor. »Ich werde es ihr sagen. Du kannst dich darauf verlassen, Herr.« Er nahm seine Leute, und sie machten, dass sie fortkamen. In den feuchten Holzhäusern waren kaum mehr als Schwelbrände entstanden. Bewohnbar waren die Räume trotzdem nicht mehr; insoweit hatten Seriemas Männer ganze Arbeit geleistet.
Der überlebende Mann, dem Felyss zum Opfer gefallen war, versuchte, sich mit den anderen davonzustehlen, doch Galveron hielt ihn mit der Schwertspitze auf. »Du nicht. In dieser Stadt gibt es Gesetze gegen das, was du heute getan hast.«
Schön und gut, dachte Viora. Aber was nützen sie uns?
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