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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Selbst wenn der Hierarch diesen Mann vor Gericht stellt, wird doch niemand von uns wagen, seine Tat zu bezeugen. Seine Kumpane würden nach uns suchen und ihn rächen.
    Leutnant Galveron deutete über den Platz auf die Allee. »Lauf«, befahl er dem Schinder. Der warf einen abschätzenden Blick auf den Weg in die Freiheit, dann auf den bewegungslosen Sergeanten mit der schussbereiten Armbrust. Er schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Nein«, jammerte er, »ich will nicht laufen. Ihr schießt mir in den Rücken. Lieber will ich vor Gericht.«
    »Wie du willst«, antwortete Galveron mit einem Achselzucken. »Aber du solltest wissen, dass der Hierarch dazu neigt, solche Fälle an die Suffraganin Gilarra zu übergeben. Neulich erwähnte sie, sie sei der unerschütterlichen Meinung, dass Frauenschänder entmannt werden sollten.« Und er wandte sich halb zu seinen Soldaten um und befahl: »Nehmt ihn mit.«
    Leicht enttäuscht sah Viora, wie sich der Kreis aus schwarzen Mänteln um den Gefangenen schloss und die Soldaten mit ihm davongingen. Nur der Leutnant und sein Sergeant blieben zurück. Sie wusste kaum zu sagen, was sie gewollt hätte. Sie war vollkommen verwirrt, zornig und ängstlich. Aber es erschien ihr ungerecht, dass dieser Mann gehen durfte, und sei es auch nur in der Hand der Gottesschwerter, und dass sie nicht irgendeine fürchterliche Rache fordern durfte. Galveron bemerkte ihren Blick. »Gedulde dich«, sagte er leise.
    Viora sah ihn fragend an. Dann bekam sie die Antwort. Kurz nachdem die Soldaten in die Allee eingebogen waren, kam plötzlich Bewegung in ihre schwarzen Umhänge. Es gab einen Schrei und ein kurzes Handgemenge, und im nächsten Moment rannte der Gefangene Hals über Kopf auf den engen Durchgang zum Geißenhof zu. Der Sergeant zielte ohne Eile. Der Bolzen sirrte durch die Luft und traf den Flüchtenden in den Nacken.
    »Guter Schuss, Sergeant. Den üblichen Bericht, bitte: auf der Flucht erschossen.« Galveron lächelte kalt und wandte sich Viora zu. »Man braucht die Kastration nur zu erwähnen, und sie alle rennen früher oder später. Es tut mir Leid, dass wir ihm keinen schmerzvolleren Tod bereiten konnten, doch dazu ist der Sergeant ein zu guter Schütze.«
    »Herr – meine Familie und ich stehen tief in deiner Schuld«, sagte Ulias. »Ich tue nur meine Pflicht, Herr«, antwortete Galveron und neigte vor dem alten Mann respektvoll den Kopf. Viora hätte ihn für sein Benehmen umarmen mögen, denn sie sah, dass diese kleine Geste wie Balsam auf die erniedrigte Seele ihres Gatten wirkte. Der Leutnant warf einen Blick auf die Häuser ringsum, wo Rauchfahnen aus Fenstern und Türen stiegen. »Leider halten sich die Schinder noch in diesem Viertel auf, und ich würde euch nicht raten, länger hier zu bleiben als wir – nicht nachdem ihr an einem ihrer Kumpane so gute Arbeit verrichtet habt.« Er schaute auf den Toten nieder, dann sah er Ivar an und strich sich mit einem Finger über den Nasenflügel. »Unter uns gesagt, hast du meine Anerkennung. Damit ist die Welt ein wenig besser geworden. Können meine Männer euch an einen sicheren Ort begleiten? Gibt es jemanden, der euch aufnehmen könnte?«
    Ivar hielt schützend die Arme um Felyss geschlungen, die den Kopf an seiner Schulter verbarg, als wolle sie sich vor der ganzen Welt verstecken. Ivar schüttelte den Kopf. »Von meiner Familie lebt niemand mehr, und die Nachbarn sind in derselben Lage.«
    »Ich habe ein Schwester«, begann Viora zögerlich und fuhr dann widerstrebend fort: »Sie ist die Schmiedin im Heiligen Bezirk.« Sie und Agella waren sehr verschieden im Charakter und selten einer Meinung, und sie hatte in diesem Jahr um ihres Sohnes willen schon einmal ihren Stolz zurückgenommen, als sie Agella gebeten hatte, den verträumten Jungen als Lehrling anzunehmen. Selbst in dieser verzweifelten Lage war ihr der Gedanke verhasst, sich zum zweiten Mal der Schwester verpflichten zu müssen.
    »Meisterin Agella ist deine Schwester?«, fragte Galveron überrascht. »Ich kenne sie gut. Doch fürchte ich, dass es ihr nicht erlaubt ist, euch aufzunehmen. Kein Außenstehender darf sich im Heiligen Bezirk aufhalten. Es ist eines der strengsten Gebote. Ich weiß, dass euch das sehr hart ankommen muss, und das tut mir Leid, aber hierbei kann keine Ausnahme gewährt werden.«
    Viora wandte sich völlig entmutigt ab. Sie kannte natürlich dieses Gebot, aber sie hatte gehofft, dass der freundliche junge Leutnant unter diesen

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