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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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stinkende, faule Pöbel von ihrem Besitz verschwindet.«
    »Aber was sollen wir denn tun?«, fragte Viora flehentlich. »Wir können doch nichts dafür, dass alles knapp ist. Niemand kann noch Essen auf den Tisch stellen, geschweige denn den Mietzins aufbringen. Die meisten, die hier wohnen, haben das Schwarze Lungenfieber, weil sie hungern und frieren müssen und weil hier nichts mehr trocken wird. Wenn sie bei diesem Wetter auf die Straße müssen, werden sie nicht einmal diese Nacht überleben.«
    Warum tue ich das eigentlich?, dachte sie. Sie wusste ganz genau, dass es keinen Erfolg haben würde, sich bei diesem Schlägerpack aufs Bitten zu verlegen. Sie waren bei den Mietern und Pächtern wohl bekannt. Mittlerweile beschäftigte jeder Händler – jeder, der die Kosten dafür noch aufbringen konnte – eine ähnliche Bande von bezahlten Schindern, die sein Eigentum schützen und sein Geld eintreiben sollten.
    Dennoch wollte Viora sich nicht schweigend fügen, wenn ihr auch klar war, dass sie kaum etwas Nachdrücklicheres tun konnte, als zu bitten. Von überall hörte sie die Schinder wüten, die sich auf die heruntergekommenen Holzhäuser verteilt hatten. Viora dachte an ihre Nachbarn im Viertel: Leh und Keda, die beiden Witwen unbestimmbaren Alters, die eine Wohnung teilten und sich vom Verkauf ihrer Kerzen ernährten; Lewal, der den Abtrittdünger einsammelte, und seine Gefährtin Thalle mit ihrer Kinderschar; Sobel, den Gerber, der pflichtergeben die hinterhältige, übellaunige Schwiegermutter mit durchbrachte, seit ihm seine hübsche, aber hohlköpfige kleine Frau vor zwei Monaten auf dem Wochenbett gestorben war.
    Das ist zu viel, dachte Viora verzweifelt. Ist unser Leben denn nicht schon schwierig genug? Die Bitten und Schreie, die Beschimpfungen und die Schläge klangen ihr in den Ohren. Sie versuchte, nach draußen zu spähen, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, doch die zwei Kolosse füllten den Eingang vollkommen aus. Aber sie sollte ohnehin lieber an sich selbst denken.
    »Wo ihr hingeht, ist nicht unsere Sorge«, schnarrte der mit der Keule und baute sich vor ihr auf. »Ihr seid unsere Sorge – aber nicht mehr lange.«
    Er schwang den Prügel über die Schulter und sprang vor. Viora entfuhr ein Schrei, und sie stolperte rückwärts gegen die Wand und stieß sich den Ellbogen, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Zu ihrem Erstaunen trat der Hässliche mit dem zerschlagenen Gesicht dazwischen und hielt seinen Kumpan zurück. »Das ist nicht nötig, Gurtus. Die macht uns keinen Ärger«, sagte er beschwichtigend und nickte Viora zu. »Du und deine Leute, ihr geht ganz ruhig hinaus, und niemand wird euch etwas tun. Sieh mal, wenn ihr euch benehmt, dann lasse ich euch sogar einen Augenblick oder zwei, damit ihr noch etwas mitnehmen könnt.«
    Es hatte keinen Zweck zu widersprechen, und eigentlich versuchte der Mann sogar, ihr so weit entgegenzukommen, wie er konnte. Noch mehr Mitgefühl hatte sie nicht zu erwarten, und war dankbar.
    »Was tut ihr da? Lasst mich durch, verdammt!«, hörte sie ihre Tochter Felyss, die aus der Nachbarwohnung herauskam, wo sie nach dem kranken Kind gesehen hatte. Die beiden Männer traten beiseite und ließen sie eintreten, doch Viora sah angstvoll, wie sie den Körper ihrer Tochter mit Blicken abtasteten. Sie zog Felyss hinter sich und schob sie in die winzige Küche. Es bedurfte keiner Erklärung. Felyss musste gesehen haben, was ringsum vor sich ging.
    »Wo sind Ivar und dein Vater?«, fragte Viora eindringlich. »Rasch – wir haben nicht viel Zeit.« Dabei holte sie die notwendigsten Dinge aus dem Schrank und stapelte sie auf den Tisch.
    Felyss schaute ihr benommen und verwirrt zu, wie sie durch die Küche hastete. »Sie sind in die Oberstadt gegangen, um im Abfall hinter den Häusern zu wühlen. Sie müssen gleich wieder hier sein.«
    Und wie immer mit leeren Händen, dachte Viora. Nicht einmal die Reichen konnten es sich noch leisten, etwas wegzuwerfen. »Steh nicht herum und gaffe – hilf mir!«, drängte sie und drückte ihrer Tochter einen alten Mehlsack in die Hand. Felyss kam zur Besinnung, und mit fliegenden Händen packte sie Schalen, Löffel, Messer, Töpfe, Zwiebeln, Kartoffeln und ein Schinkenende in den Sack. Viora reichte ihr einen Beutel Mehl und ein Päckchen Schmalz dazu, einen halben Krug Honig, ein Säckchen Tee, die kostbare Holzdose mit den Kräutern, die sie für ihre einfachen Kuren verwendete, und eine Hand voll Kerzen. Dann

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