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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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unten verstecken könnte, würden sie ihre Gier vielleicht an ihrem Kameraden stillen und die ursprüngliche Beute vergessen. Eine dürftige Hoffnung, aber ihre einzige.
    Mit dem Rücken zur Wand schlich sie die steilen Steinstufen hinab und blieb unbemerkt, bis sie fehltrat und stürzte. Die Kerze fiel ihr aus der Hand und erlosch. Jede Stufenkante bekam sie schmerzhaft zu spüren. Am Fuß der Treppe fiel sie gegen das Eisengitter. Es schwang auf und ließ sie hindurch. Schon hörte sie wütendes Geheul von oben, die Kreaturen hatten entdeckt, dass ihre Beute geflohen war. Aliana sprang auf die Füße und schlug die Gittertür zu. Dabei fiel ein matter Schein, der aus dem Gang hinter ihr kam, auf den Schlüssel im Schloss. Während die Scheusale schon auf der Treppe waren, griff sie durch die Stäbe, drehte den Schlüssel herum und zog ihn aus dem Schloss. Sie konnte gerade noch zurückweichen, bevor sie an der Tür ankamen.
    Es stellte sich schnell heraus, dass die Eisenstäbe stark genug waren, um die Raubtiere abzuhalten. Aliana war zuversichtlich und zog sich in das Gewölbe zurück, bis sie nicht mehr zu sehen war. Sie hoffte, dass die Bestien sich dem Kadaver zuwenden würden, und vielleicht würde sie, wenn sie sich still verhielt, vergessen, oder die Scheusale gaben das Warten auf und gingen sich eine leichtere Beute suchen. Andernfalls wäre sie zum Hungertod verurteilt. Doch das war im Augenblick ihre letzte Sorge. Erst einmal war die Flucht zu Ende. Sie fühlte sich plötzlich entsetzlich müde und spürte die Schmerzen von dem Sturz. Die Kratzer am Arm, obgleich nicht tief, brannten, als hätte man ihr ein Brenneisen auf die Haut gedrückt. Schwankend ging sie in die erste Grabkammer, wo ein paar Kerzen auf den Gräbern brannten. Sie war froh darüber, obwohl nach ihren Erfahrungen von Toten keine Bedrohung ausging.
    Dankbar sank sie auf die glatte Marmorplatte eines Grabes nieder und setzte ihren Rucksack ab. Dabei wimmerte sie, weil die Riemen über ihre Armverletzung streiften. Sie kramte in ihrer Beute nach dem Weinbrand. Als sie ihn gefunden hatte, ließ sie etwas über die Wunde laufen, hielt vor Schmerzen die Luft an und fluchte lästerlich. Mit ein bisschen Glück würde sie von einer Entzündung verschont bleiben, aber Myrial allein konnte wissen, welcher Schmutz unter den Krallen dieser Scheusale saß.
    Zu erschöpft, um an Hunger oder Durst zu denken, sah sie sich in der Kammer um und überlegte, wo sie sich zum Schlafen hinlegen sollte. Auf der Grabplatte käme sie sich ungeschützt vor, und außerdem fand sie das respektlos. Zwar weigerte sie sich, Angst zu haben, aber es blieb eine Spur Aberglaube, weshalb sie sich an diesem stillen Ort unbehaglich fühlte. Schlafen musste sie jedoch. Ihr war schon ganz schwindlig, und sie konnte die Augen kaum länger offen halten. Zitternd vor Müdigkeit rollte sie sich in einer Ecke zusammen, und ihr letzter Gedanke galt dem lange verstorbenen Kaufmann, der in dem Steingrab lag. Obgleich sie in sein Haus eingebrochen war und ihn bestohlen hatte, betete sie darum, dass er Mitleid mit ihr haben und sein Geist für den Rest der Nacht über sie wachen möge.
     
    In dem Relikt des alten Magiervolkes herrschte einen Schritt von der stofflichen Welt entfernt eine zeitlose Dunkelheit.
    Thirishri sah nichts und fühlte nichts, und sie konnte weder etwas hören noch einen Laut erzeugen.
    Sie schwebte im leeren Raum ohne einen Reiz für die Sinne, und ihre Hilferufe wurden von dem ereignislosen Nichts verschluckt. Sie spürte nur den eigenen Zorn. Den Zorn auf den angeblichen Hauptmann Blank, der kein anderer war als der abtrünnige Wissenshüter Amaurn, wie sie entdeckt hatte, der sich in die Angelegenheiten Callisioras eingemischt hatte, und in die von Myrial noch dazu. Denn seit sie seinen Aufenthaltsort kannte, hegte sie die Vermutung, dass unter Tiarond alte Kräfte verborgen lagen, und dass er hinter dieser Krise steckte, die die ganze Welt beeinträchtigte. Doch am meisten war sie auf sich selbst zornig, auf ihre sträfliche Dummheit, weil sie Amaurn so leicht in die Falle gegangen war und nun in einer Dimension festsaß, aus der sie nicht entkommen konnte, um die lebenswichtige Nachricht zu überbringen.
    Durch den hochroten Schleier ihrer Wut verlief ein schwarzer Faden der Furcht. Wo sie sich befand, war die Zeit bedeutungslos. Sie könnte eine Stunde oder tausend Jahre gefangen bleiben. Unzählige Fragen kreisten in ihrem Kopf. Was geschah in der Welt?

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