Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
war und unter einem Mantel nicht auffiel. Mit dem Sack auf dem Rücken blieben ihr beide Hände zum Klettern oder Kämpfen frei.
Von der Küche aus ging sie gezielt durch das Haus und suchte in den Zimmern nach kleinen Gegenständen, die wertvoll und leicht waren, denn dies war eine einmalige Gelegenheit für die Bande, reich zu werden. Wenn nur die Gottesschwerter sich ausnahmsweise nützlich machen würden und die Ordnung in der Stadt wiederherstellten.
Wie vermutet, hatten die Soldaten, die zur Bewachung der Sägemühle abgestellt gewesen waren, ihre Posten verlassen. Das Haus lag dunkel da. Die Tür stand offen und ließ Wind und Regen herein. Obwohl es trostlos aussah, verhieß es einem müden Wanderer in der Nacht ein wenig Bequemlichkeit und neue Zuversicht.
Der Weg zur Mühle hatte Blanks letzte Kraft aufgezehrt, und das letzte Stück hatte er nur mit eisernem Willen hinter sich gebracht. Er stolperte die Stufen der Veranda hinauf, die Beine trugen ihn kaum mehr, und auf der Schwelle brach er zusammen. Er konnte nicht glauben, dass er endlich in Sicherheit war. Nach einer Weile kroch er in die Küche und stieß mit dem Fuß die Tür hinter sich zu, damit Kälte und Nässe, die nächtlichen Henker, draußen blieben. Ihm klangen die Ohren vor Erschöpfung, und jeder Zoll seines Körpers schmerzte von der überstandenen Strapaze. Durch die Löcher in seinen Stiefeln war eisiger Morast eingedrungen, seine Füße waren beinahe taub, und die Kälte schien sich durch seine Glieder bis in sein Herz gefressen zu haben.
Blank sah einen roten Schein in der Dunkelheit. Die Feuerstelle! Das Feuer, das seine treulosen Soldaten unterhalten sollten, war noch nicht erloschen. Auf allen Vieren kroch er durch die Küche und begann fieberhaft Zweige, Rinde und Holzstücke aus dem Vorrat der alten Frau aufzuschichten und hätte die schwache Glut fast erstickt. Nach einer Ewigkeit fing das Häuflein Feuer und erhellte den Raum ein wenig. Blanks Welt war zusammengeschrumpft zu diesem kleinen, goldgelben Geflacker und der Notwendigkeit, es zu füttern und am Leben zu erhalten. Geduldig sorgte er für das Feuer und empfand ein enormes Wohlbehagen bei der Verrichtung dieser einfachen häuslichen Aufgabe, welcher sich der erhabene Anführer der Gottesschwerter schon seit vielen Jahren nicht mehr angenommen hatte. Seine Finger waren zunächst steif wie Stöcke und kaum zu gebrauchen. Aber ihre Beweglichkeit wuchs mit dem Feuer, und schließlich durchströmte ihn die Wärme, während er Scheite auflegte und kräftige Flammen loderten.
Blank konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt geschlafen hatte. Die vorige Nacht hatte er damit verbracht, den verfluchten Feuerdrachen durch die Berge zu verfolgen, dann war er am gestrigen Tag im Triumph mit dem gefangenen Hierarchen in die Stadt zurückgekehrt, um dann zusehen zu müssen, wie Zavahl aus dem Opferfeuer gerettet und ihm vor der Nase weggeschnappt wurde.
Der Überfall der geflügelten Dämonen, die panischen Menschen, die rasende Verfolgung der Flüchtigen: All diese Bilder flossen ineinander und verschwammen, während ihm schon die Augen zufielen. Er konnte sich gerade noch so lange wach halten, bis er die Stiefel abgestreift, zum Trocknen auf den Herd gestellt und sich in den Kaminvorleger eingerollt hatte. Dann überfiel ihn der Schlaf.
Ein letzter Gedanke bohrte sich noch in sein Bewusstsein. Da war noch etwas, das er geschafft hatte, etwas von größter Wichtigkeit. Aber was? Sein Verstand brachte es nicht mehr hervor.
Vielleicht, wenn ich mich ausgeruht habe, werde ich mich erinnern …
Dann, auf der Schwelle ins Nichts, fiel es ihm ein. Der Luftgeist! Er hatte einen Agenten des Schattenbundes in seine Gewalt gebracht in einem Gegenstand reinster Kraft, einem Erbstück des magischen Volkes, aus dem er vor langer Zeit ausgewandert war, hatte er den Luftgeist gefangen gesetzt. Das Ding sah aus wie ein Beutel. Es bestand aus einem rätselhaften silbernen Stoff und war ein Überbleibsel aus jener Zeit, als das magische Volk seine Macht noch nicht verloren hatte. Vielleicht hatte es sogar jenem unbekannten Geschlecht gehört, das die Welt von Myrial erschuf. Es besaß die Eigenschaft, alles, was man hineingab, um einen Schritt aus der stofflichen Welt zu entfernen und in einer Tasche des Irgendwo einzuschließen, das jenseits des greifbaren Daseins existierte.
Diese Erfindung war einzigartig und unschätzbar wertvoll, erst recht mit diesem besonderen Gefangenen und zumal
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