Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
hielt?
Verspätet wandte er sich dem Menschen wieder zu, während sein Verstand heftig nach einer glaubwürdigen Antwort suchte, die den ehemaligen Hierarchen zugleich dazu bringen sollte, ihm die dringend benötigten Auskünfte zu geben. »Ein Gott mag manchmal die Treue seines Dieners auf die Probe stellen«, begann er vorsichtig. »Wir wollen jetzt zu dem Auge gehen, Zavahl. Bring mich dorthin, und in seiner Gegenwart werden wir diesen Gegenstand weiter erörtern.«
Zavahl sah ihn ratlos an, doch dann nickte er ergeben. Aethon überkam ein Schauder der Erregung, als der Mensch die kostbare Trennwand zurückschob und einen Durchgang enthüllte, in dem nichts als schwarze Dunkelheit zu sehen war, als läge dahinter endlose Leere. Sie verschluckte Zavahl, und der Drache folgte ihm.
Es ist nur ein Traum. Mir kann nichts passieren, und ich kann den Traum jederzeit verlassen.
Er sprach es sich immer und immer wieder vor, wie eine Zauberformel, die ihn vor allem bewahren würde, was diesen finsteren, einschüchternden Ort bewohnte. Doch dann überkamen ihn Zweifel. Woher sollte er wissen, ob es diesen Ort nicht in Wirklichkeit gab und nicht nur in Zavahls aufgewühltem Geist?
Ich werde es einfach glauben müssen. Es sieht alles so wirklich aus, ich bin sicher, das ist eine echte Erinnerung, kein Hirngespinst. Außerdem wäre es ein lächerlicher Zufall, wenn Zavahl sich gerade das Ding ausdenken würde, das wir alle schon so lange suchen. Nein, es ist viel wahrscheinlicher, dass die Umgebung des Traums eine echte Erinnerung ist.
Er dachte über die Edelsteine und ihre geheime Botschaft nach. Ob es da einen Zusammenhang gab? Doch, da musste etwas sein.
Sie überquerten den schwarzen Abgrund. Aethon wusste davon nur aus den Gedanken seines menschlichen Gefährten. Er blieb stehen, als Zavahl stehen blieb, und fragte sich schon, was nun passieren würde, da hörte er ein Klicken, das die vollkommene Stille durchbrach. Ein Rauschen wie Wind in den Baumwipfeln setzte ein und brachte die Luft zum Schwingen. Dann, wie aus dem Nichts, erschien ein riesiger roter Ring. Immer heller leuchtete er, und Aethon betrachtete Zavahls Gesicht. Es trug einen Ausdruck völliger Konzentration. Vor ihm befand sich ein Sockel mit einer Vertiefung in der Mitte, in die er den großen roten Stein eines Rings drückte.
Ha! Der Stein muss der Schlüssel sein.
Während der Kreis an Helligkeit zunahm, beugte Aethon sich ein wenig vor, um den roten Stein von Nahem betrachten zu können, doch plötzlich hallte eine Stimme durch den weiten Raum.
»Herr? Wach auf. Ich bringe dir etwas zu essen.«
Die Ringkammer brach zusammen und verschwand, als Zavahl aus dem Schlaf gerissen wurde. Und Aethon war wieder ein Mitreisender im Geist dieses Menschen.
Das ist doch nicht zu glauben! Warum musstest du ausgerechnet jetzt kommen, du Trampel! Ich war so nahe daran, etwas wirklich Wichtiges zu erfahren!
Wer der Eindringling auch war, Aethon verfluchte den Tag seiner Geburt. Nun würde er untätig im Verborgenen seine Zeit abwarten müssen, bis der gequälte Zavahl wieder einmal träumte.
»Cergorn, beruhige dich.« Syvilda warf wütend die Hände in die Luft. »Du musst dich gedulden. Du weißt nicht einmal die Hälfte.«
»Ich weiß, dass meine so genannten Wissenshüter ihre Mission entsetzlich verpfuscht haben. Aber dass ich ihnen tatsächlich getraut habe! Ich kann das von Veldan nicht glauben. Ist sie verrückt geworden? Was glaubt sie denn, womit sie es hier zu tun hat? Sie weiß, dass es gegen unsere strengsten Gesetze verstößt, Fremde hierher zu bringen.«
Syvilda blickte besorgt am Seeufer entlang. Niemand schien in der Nähe zu sein, doch innerhalb des Schattenbundes konnte man nie wissen, wer vielleicht zuhörte. »Sieh mal, glaubst du nicht, dass wir das besser hinter verschlossenen Türen erörtern sollten?«
Der Archimandrit lief in einem fort auf und ab, wie es seiner Gewohnheit entsprach, wenn er zornig oder in Sorge war, und warf mit den Hufen große Erdklumpen auf. »Ich will es gar nicht erörtern. Du bist diejenige, die es erörtert.«
»Du meine Güte, Cergorn! Ich verstehe nicht, warum du dich so kindisch aufführst. Wir haben Veldan praktisch großgezogen. Du weißt sehr gut, dass sie diese Leute nicht ohne einen sehr guten Grund hierher bringen würde. Sie hat unsere Gesetze immer geachtet. Warum sollte sie sie brechen wollen, wenn sie nicht dazu gezwungen ist?«
Cergorn blieb stehen und sah sie an. Syvilda lief es
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