Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
raschen Blick, dann winkte er seinen Männern, die sich nach dem anstrengenden Aufstieg eine wohlverdiente Pause gegönnt und sich niedergesetzt hatten. »Los, ihr Bummler! Hoch mit dem Hintern und weiter!«
Das übliche Gemurre, das einer solchen Aufforderung folgte, blieb aus, und Seriema wusste, es geschah aus Rücksicht auf Tormons Gefühle. Sie sprach Willan an, der neben ihr stand. »Sie sind gute Männer, deine Rotten.« Er sah sie verblüfft an, dann zeigte er grinsend seine Zahnlücke. »Klar, Mädchen, das sind sie. Ein bisschen raubeinig, aber zuverlässig, und nicht die Schlechtesten. Viele haben selber Winzlinge zu Hause. Sie verstehen, was der Händler durchmacht.«
Inzwischen war Cetain bei ihnen und Tormon mit großen Schritten ein Stück voraus. Seriema dachte sich, dass ihn nur die Fremdartigkeit des Ortes davon abhielt, blindlings loszurennen, und war froh, dass er wenigstens so viel Vorsicht walten ließ. Der Gang beschrieb eine sanfte Kurve, sodass man unmöglich weit sehen konnte – und wer wusste schon, was ihn hinter der nächsten Biegung erwartete?
Dann gelangten sie zu der riesigen Halle, von der Scall ihnen erzählt hatte, und sogar Tormon blieb wie angewurzelt stehen. Seriema stieß den Atem aus angesichts der schieren Weite, in der leicht hundert Myrialtempel Platz gefunden hätten, und auch Cetain drückte staunend ihren Arm. Bis zu diesem Augenblick hatte sie Scalls Beschreibung nie ganz geglaubt.
Für die Menschengruppe, die da in dem Höhleneingang stand und zwergenhaft klein erschien, war es unmöglich zu begreifen, was sie sahen. Allein der Anblick verwirrte den Verstand. Seriema begaffte die eigenartigen Gebilde, die teils gerundet, teils eckig und in Reihen angeordnet waren. Seltsame Lichter liefen über alle Flächen, manche flimmerten, andere flammten in einem bestimmten Takt immer wieder auf, der ihr beinahe – aber nur beinahe – wie eine Botschaft erschien, und wieder andere leuchteten sanft wie Opale. Über ihnen gab es weitere Lichter, die in einem Muster wie Spinnennetze über Wand und Decke huschten oder als dünne zitternde Strahlen über Schwindel erregende Spannweiten sprangen.
Auch hier bestanden die Wände aus diesem nachgiebigen Stoff. Darüber bewegten sich Bänder, Flecke und Funkenschwärme sanft leuchtenden Lichts, wechselten die Farbe und verschmolzen miteinander zu einer Vielzahl von Formen. Die Luft in der Halle war trocken und kribbelte auf der Haut, und der scharfe Geruch war hier kräftiger und hatte jenen Beigeschmack, wie er mitunter ein Gewitter begleitet. Eigenartige Klänge waren zu hören, es summte und dröhnte in verschiedenen Tönen und Höhen, es knackte und prasselte, und darunter lag ein pulsierendes Brummen, das man bis in die Knochen spürte.
Tormon war der Erste, der sich von diesem Angriff auf die Sinne erholte. »Weiter«, rief er. »Was stehen wir hier herum? Teilen wir uns auf und suchen.«
Cetain bewegte sich in der Art eines Mannes, der aus einem Traum gerissen wird, sagte aber mit fester Stimme: »Wir sollten nichts Dergleichen tun. Dafür ist die Halle nicht geeignet, Tormon, und bedenke allein die Größe, Mann! Wenn wir uns trennen, finden wir einander nicht mehr wieder.« Er überlegte einen Augenblick. »Wir teilen uns in zwei Gruppen – mehr nicht. Ich befehlige die eine und Willan die andere. Wir gehen in entgegengesetzte Richtungen und bleiben an der Wand. Hat das jeder begriffen? Sofern nicht jemand Presvel und seine Gefangenen eindeutig entdeckt, darf sich niemand zur Mitte hin bewegen. Falls es aber dazu kommt, was ich nicht annehme, so muss er den anderen ein Zeichen hinterlassen, damit sie sehen, wohin er gegangen ist. Ansonsten gehen wir so lange weiter, bis wir wieder aufeinander treffen, und bis dahin wissen wir hoffentlich, wie man hier rauskommt und ob vor kurzem jemand hier entlang gekommen ist. Rochalla scheint einen klaren Kopf behalten zu haben, denn sie hat uns einen Hinweis hinterlassen. Vielleicht konnte sie weitere anbringen. Wenn wir die Halle umrundet haben und es keinen zweiten Ausgang gibt, dann und nur dann werden wir uns darüber Gedanken machen, wie man am geschicktesten die Mitte erkundet.« Er blickte seine Männer der Reihe nach an. »Hat jetzt jeder verstanden, was wir tun werden?«
Der Händler machte ein trotziges Gesicht, doch Seriema ging zu ihm und sprach ihm leise ins Ohr. »Tormon, so ist es wirklich am besten. Wir müssen planvoll vorgehen, sonst finden wir sie hier nie.«
Er
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