Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
schwangen: all das deutete schon auf das endgültige Schicksal der Stadt hin, sollte es dem Schattenbund nicht gelingen, sie von den Ak’Zahar zurückzuerobern.
Bis sie bei den Häusern der Händler am Rand der Esplanade ankamen, hatten sich die Wolken verdichtet. Auf der anderen Seite des einsamen Platzes befand sich der dunkle Eingang des Tunnels, in dem sich die Bestien eingenistet hatten. Elion schauderte und wischte sich die feuchten Handflächen am Hemd ab. Dort drinnen waren sie also. Er konnte sie riechen – es war derselbe faule Aasgestank wie in den Höhlen von Ghariad, wo Melnyth ihr Leben ließ. Bei dem Gedanken durchströmte ihn ein Hass, der seine Angst in Zorn umschlagen ließ.
Bleibt nur hübsch da drinnen, ihr hässlichen Stinktiere! Dies ist der Tag, wo Melnyths Tod endlich gerächt wird!
Sie suchten Schutz im Garten der Dame Seriema und verbargen sich in einer Gruppe Lorbeersträucher, wo sie sich auf die kommende Aufgabe vorbereiteten. Kher nahm die Waffe von der Schulter und hängte sie an den Stumpf eines abgebrochenen Astes, dann holte er die Päckchen mit dem Sprengstoff hervor. Der Schneeregen fiel nun schon dichter, und Elion schaute voll Unbehagen auf die tief hängenden Wolken.
Wenn noch richtiger Schnee daraus wird, dann kriegen wir alle möglichen Schwierigkeiten. Sowohl der Pass als auch der Steilfelsen werden nicht mehr begehbar sein, und den Winter in Tiarond zu verbringen gefällt mir überhaupt nicht.
»Wir sollten uns besser beeilen, bevor es noch dunkler wird«, sagte er zu Kher.
In diesem Augenblick gab es eine Bewegung im Gebüsch. Ein Strauch verlor seine glänzenden Blätter und ging in die verschwommene, vielgliedrige Gestalt Vifangs über. »Ach, äh … da bist du«, sagte Kher, dem in Gegenwart der Takur offensichtlich noch nicht so ganz wohl war. »Bist du noch immer bereit, für uns in den Tunnel zu gehen?«
»Ich bin schon dort gewesen«, antwortete die Gestaltwandlerin. »Zumindest ein Stückchen.«
»Wie bitte?«, entfuhr es Elion erschrocken. »Du bist da reingegangen, ohne uns etwas zu sagen? Also, von allen verrückten, unverantwortlichen …«
»Beruhige dich, Elion.« Kher musterte ihn fragend. »Wozu die Aufregung?« An Vifang gewandt fragte er: »Wie weit bist du gegangen und was hast du gesehen?«
»Wie gesagt, nur ein kleines Stück«, antwortete die Takur. »Ich wollte sie nicht schon jetzt aufscheuchen. Ich habe die Gestalt einer Fledermaus angenommen, damit ich im Dunkeln sehen konnte, wie viele es sind.«
»Und?«
»Es sind so viele und sie hängen so dicht beisammen, dass es schwer zu erkennen war. Ich würde sagen, auf jeden Fall einige Hundert. Mindestens.«
Khers gewöhnlich heiteres Gesicht wurde finster. »Das ist gut. Hoffentlich kriegen wir die ganze verfluchte Bande auf einen Schlag.«
»Seid ihr fertig?«, fragte Vifang. »Der Tag geht zur Neige. Ich werde mich aber erst im letzten Augenblick verwandeln, denn als Ak’Zahar tut mir das Tageslicht in den Augen weh.«
»Wie kannst du nur so ruhig bleiben?«, fragte Elion.
»Du vergisst, dass ich unter meinesgleichen eine Zeit lang der beste Meuchelmörder gewesen bin«, antwortete sie. »Ich habe lernen müssen, niemals die Ruhe zu verlieren.«
Der Wissenshüter schüttelte den Kopf. »Wie schnell kannst du mir das beibringen?«
»Nicht schnell genug!«
»Ich habe befürchtet, dass du das sagen würdest.« Er überlegte einen Augenblick. Es machte ihm Sorge, dass sie sich in einen Ak’Zahar verwandeln wollte. Er hatte schon einmal gesehen, wie sie sich gegenseitig gnadenlos angriffen, aus Gründen, die einem Menschen völlig sinnlos vorkamen. »Wäre es für dich nicht sicherer, wenn du dich wieder als Fledermaus einschleichst?«, schlug er vor.
»Das wäre es allerdings«, antwortete sie, »aber wie würde ich dann die Sprengladungen tragen?«
»Ach ja.« Elion kam sich dumm vor. »Daran habe ich nicht gedacht.«
Vifang lächelte, wie Gestaltwandler es tun, nämlich innerlich. Sie mochte diesen Menschen, der sie anscheinend achtete. Sie durfte ihm keinesfalls sagen, wie viel Angst sie in Wirklichkeit hatte oder wie gefährlich es für sie werden könnte. Er würde sich nur Sorgen machen. Dann schob sie den Gedanken beiseite. Elion wusste längst, wie tödlich die Ak’Zahar sein konnten. Sie hatten seine Partnerin umgebracht. Und er machte sich schon längst Sorgen.
»Die Ladungen sind jetzt fertig.« Kher unterbrach ihre Gedanken. Er gab ihr einen Beutel, und sie
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