Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
fast abgeworfen wurde, und hielt sich dicht an der Felswand. Er klammerte sich an die verwundete Takur, fest entschlossen, sie nicht loszulassen.
Wir werden es schaffen! Wir werden es …
Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, und beide, Mann und Gestaltwandlerin, wurden von einem sengend heißen Luftstoß von den Füßen gerissen. Sie schlugen hart auf den Steinen auf. Hinter ihnen schossen Rauch und Flammen aus der Tunnelöffnung, die Erde zitterte von der Gewalt der Sprengung. Ein Spalt verlief im Zickzack über die Felswand, dann stürzte unter Poltern und Knirschen der Tunnel ein. Danach war alles still, bis auf das Klingeln in den Ohren und die ungleichen Tritte, als Kher quer über die Esplanade hinkte und die beiden anderen vor ihm her rannten.
Tief unter der Stadt platzte Thirishri mit wütendem Heulen in den unterirdischen Felssaal, wo sich das Auge befand. *Amaurn! Abtrünniger! Thronräuber! Du hast es gewagt, meinen Partner zu vernichten – nun ist es an dir, dich der Vernichtung zu stellen!*
Eine Windbö erfasste sie alle und stieß sie um. Tormon verlor das Gleichgewicht und fiel, desgleichen Rochalla und Scall. Zavahl, der soeben aufgestanden war, landete hart. Veldan handelte schneller als Amaurn, der noch in reuevolle Gedanken über den Händler vertieft war. »Thirishri! Nein!« Es blieb keine Zeit, um nachzudenken – sie rannte los, aus purer Eingebung warf sie sich zwischen die Bedrohung und ihren Vater, aber eine zweite Bö erfasste sie, dass sie rücklings über den Boden schlitterte und gegen Amaurn prallte, der darauf ebenfalls stürzte.
*Stirb, Amaurn!*, brüllte der Windgeist. Veldan sah den verräterischen Schimmer hoch oben in der Luft. Thirishri war genau über ihnen, um sie mit dem nächsten tödlichen Windstoß zu zermalmen.
Dann ertönte ein anderes Brüllen, das lauter war als das Brausen des Windes, und da stand Kaz über seiner gestürzten Partnerin. »Du lässt meine Veldan in Ruhe, du Riesenfurz!« Er reckte den Hals und blies eine Stichflamme nach oben, doch die wurde von einem mächtigen Windstoß verweht. Dann geschah es. Thirishri richtete ihren Zorn gegen den neuen Verteidiger ihrer Beute. Kaz wurde mit seinem ganzen Gewicht vom Boden gehoben, durch die Luft geschleudert und krachte an die entfernte Felswand.
In ihrem Geist hörte Veldan das trockene Knacken brechender Knochen und wurde von den rasenden Schmerzen des Feuerdrachen übermannt, die wie Feuer durch ihren Körper jagten. Auf einmal war alles still, kein Hauch war mehr zu spüren, so als wäre der Windgeist vor der eigenen blinden Gewalttat erschrocken. Dann sprang Veldan auf und rannte. Sie hörte schwere Stiefeltritte hinter sich, aber ihre Seelenqual war zu tief, als dass sie dafür einen Gedanken übrig hatte. Alles war so schnell gegangen – wie hatte das nur so schnell geschehen können? Ein paar Herzschläge nur, und ihr Leben lag plötzlich in Scherben.
Der Feuerdrache lag neben der Wand, ein riesiger Leib, unfähig, sich zu erheben. Ein Geschöpf von seiner Größe, das mit solcher Wucht auf ein hartes Hindernis aufschlug, musste unheilbare Schäden erleiden. Veldan warf sich neben ihm zu Boden, das Gesicht tränenüberströmt. »Kaz – oh, Kaz!«
»Mach dir keine Sorgen, Schätzchen – ein paar Tage Ruhe und mir geht’s wieder gut.« Seine Gedanken kamen kraftlos und leise. Die Schmerzen, die Veldan empfangen hatte, waren fast vergangen. Schirmte er sie vor ihr ab oder spürte er keine mehr, weil er im Sterben lag?
Dann kniete sich Kalt an Veldans Seite und legte dem Feuerdrachen sanft die Hände auf. Er schüttelte den Kopf und blickte sie an. »Es tut mir Leid«, sagte er, »er hat alle möglichen Verletzungen. Ich weiß nicht, ob man noch etwas tun kann – vielleicht gibt es hier unten auch solche Heilstrahler, wie ihr sie in Gendival habt. Ich kann ihn noch ein bisschen in dieser Welt halten, damit wir Zeit haben, um nachzudenken, aber …« Nun liefen auch ihm die Tränen übers Gesicht. »Ach, Veldan, ich wünschte, ich könnte mehr tun!«
Auf der anderen Seite des Saales hatte eine todunglückliche Toulac sich aufgerafft und wollte gerade zu Kaz und Veldan hinüberlaufen, als sie am Blickfeldrand eine Bewegung wahrnahm, die sie mitten im Schritt innehalten ließ. Sie machte kehrt und rannte dorthin, wo Amaurn und Thirishri voreinander in Stellung gingen. Die Söldnerin hatte schon viel über Cergorns frühere Partnerin gehört, doch hatte sie sich nicht vorstellen können,
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