Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
Presvel zu zweifeln. Vielleicht würde der Junge gar nicht kommen. Vielleicht war er – Fluch und Schande über ihn! – stattdessen bei Rochalla und begrapschte und begeiferte sie und war viel zu beschäftigt, um an Pferde zu denken. Presvel kam die Galle hoch bei dem Gedanken. Er sprang auf, aber als er das tat, entdeckte er einen Lichtschein, der gemächlich auf ihn zukam. Hastig duckte er sich wieder hinter sein Fass. Konnte das Scall sein? Er musste es sein! Ganz bestimmt kam da der kleine Dummkopf und rief nach seiner Stute, als könnte sie verstehen, was man sprach. Presvel wartete, bis der Junge die Laterne an den Eisenhaken gehängt hatte, der eigens dafür über dem Futtertrog angebracht war. Er wollte auf keinen Fall, dass sie im Handgemenge fallengelassen und umhergetreten würde. Lebendig zu verbrennen gehörte entschieden nicht zu seinen Plänen.
    Warte noch, warte noch. Hast genügend Zeit. Nur nicht vor lauter Eifer das Pferd erschrecken – es hat keinen Sinn, zertrampelt zu werden. Bestimmt wird er dem blöden Tier zu saufen geben, und dann ist der Moment gekommen.
    Es hätte nicht besser kommen können. Pfeifend und einen Eimer am Henkel schwenkend, näherte Scall sich dem Fass – und Presvel schlug zu. Er sprang aus dem Versteck, schlug den völlig überraschten Jungen zu Boden, drückte ihm ein Knie auf den Rücken und hielt ihn damit nieder. Während der langen Wartezeit hatte er einen schmutzigen Lappen auf dem Fass liegen sehen, den stopfte er dem Jungen in den Mund, dass er würgte und spuckte. Im nächsten Augenblick setzte er ihm die Klinge an die Kehle. »Und jetzt«, zischte er, »werde ich dir ganz genau erklären, was geschieht, wenn du Rochalla nicht in Ruhe lässt.«
    Ehe es dazu kam, hörte er eine Stimme hinter sich. »Was tust du denn da? Lass den Jungen los!« Eine Gestalt ragte über ihm auf, in Dunkelheit gehüllt, das Gesicht ein grinsender Totenschädel. Arcans Überbringer hatte ihn erwischt! Voller Furcht sprang er auf und wandte sich zur Flucht, das Messer in der Faust war vergessen. Doch er stieß mit den Füßen an den am Boden liegenden Scall, stolperte und stürzte in die maskierte Gestalt. Er hörte ein gequältes Stöhnen, spürte das Messer rucken und einen warmen Schwall an der Hand. Dann fiel der schwarz Verhüllte in sich zusammen und lag still.
    »Nein!«, kreischte Presvel, warf das Messer von sich und nahm Reißaus zur Haupttreppe, von wo er Scall schreien hörte: »Kalt! Kalt!«
     
    Kalt kam gerade rechtzeitig herbei, dass er die Gestalt noch in der Dunkelheit verschwinden sah, doch er beachtete sie kaum. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Menschen gerichtet, der reglos vor ihm lag. Entsetzt sank er neben ihm auf die Knie, unfähig etwas zu sagen. Scall beugte sich schon über ihn und murmelte in einem fort: »Oh nein, oh nein, oh nein, bitte, nicht …« Gemeinsam rollten sie den reglosen Mann auf den Rücken, und Scall schluchzte erstickt: »Oh, Kalt, es tut mir so Leid …«
    »Du kannst nichts dafür.« Mit zitternden Händen nahm der Überbringer die Maske vom Gesicht seines Lehrers, das schon aussah wie Wachs, und tastete unter seinem Kinn nach dem Puls. »Grimm? Grimm? Kannst du mich hören?« Er riss sich die eigene Maske herunter, und sein Gesicht war tränenüberströmt.
    Scall schnappte verblüfft nach Luft. »Ich dachte, du seist es!«
    Kalt hörte nicht zu. »Sch!«, machte er heftig und hielt ein Ohr an die Lippen des Sterbenden.
    »Hör mir zu, mein Junge.« Grimms Stimme war dünn und schwach. »Du musst tun, was wir geplant haben. Bringe Scall und die Fundstücke zu Amaurn nach Gendival. Sag ihm, es sei mein letzter Wunsch gewesen, dass du Wissenshüter wirst …«
    »Nein!« Kalt zitterte vor Schmerz. Eine Welt ohne seinen Lehrer war unvorstellbar.
    »Dafür ist keine Zeit!« Grimms Stimme klang plötzlich wie ein Echo seines alten gereizten Selbst. »Hör gut zu, Kalt. Ich muss dir jetzt sagen, wie du durch die Schleierwand kommst.« Er zog seinen Kopf zu sich herunter, flüsterte ihm drängend die Anweisungen ins Ohr, dann sank er von der Anstrengung erschöpft zurück, sein Kopf rollte kraftlos in Kalts Arm. »Sag Amaurn, viel Glück.« Die Worte kamen immer schwächer. »Und, Kalt … du warst für mich der Sohn, den ich nie haben durfte. Ich bin stolz auf dich, mein Junge.«
    »Lebewohl, Grimm. Danke für alles.« Kalt beugte weinend den Kopf – bis eine ruppige alte Hand ihn am Arm packte. Grimm hatte die Augen noch einmal

Weitere Kostenlose Bücher