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Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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öffnete das Stalltor einen Spalt breit. Als er hindurchspähte, blies ihm ein eisiger Wind ins Gesicht, der ihm beinahe die Haut verbrannte – so fühlte es sich an – und drohte, ihm die Tür aus der Hand zu reißen. Der Wind blies immer gewaltiger, und die Graupeln hatten sich in Hagel verwandelt, doch das stürmische Wetter war ganz entgegen dem Anschein eine Gnade. Zwar machte der Sturm das Reiten zu einem Albtraum, aber er würde wenigstens die Geräusche ihrer Flucht verschlucken. Er biss sich vor Anspannung auf die Lippen, während er um sich selbst, Scall und die Pferde den Mantel der Unsichtbarkeit wie eine schimmernde Nebelhülle breitete, die von außen nach nichts weiter aussah als den im Sturm umherwirbelnden Hagelkörnern. Jedenfalls hoffte er das. Er drückte das Tor auf und schickte Scall hinaus, dann folgte er mit seinen beiden Pferden.
    Die Anstrengung war so beträchtlich, dass ihm Kinn und Schläfen schmerzten und er am ganzen Körper zitterte. Ihm war, als strömte alle Kraft aus ihm heraus und in das Trugbild. Er wusste, das würde er nicht sehr lange durchhalten. Anstatt sich vorsichtig am Rand des Hofes entlang zu stehlen, wie er ursprünglich beabsichtigt hatte, schlug er kühn den Weg durch die Mitte ein, indem er Scall rechts und Grimms Pferd links neben sich führte. Je dichter sie zusammen blieben, desto leichter war es für ihn, da das abzuschirmende Feld kleiner war. Wie erhofft, hatten die Wachen vor dem Wetter Schutz gesucht, und so konnte er den Hof unbehelligt überqueren. Unglücklicherweise hatten sie aber beschlossen, sich in dem tiefen Bogen des Haupttors unterzustellen, wo sie seinen Fluchtweg versperrten.
    Verflixt! Was nun?
    Dann fiel ihm plötzlich ein, was Grimm ihn gelehrt hatte. »Manchmal braucht man sich überhaupt nicht zu verhüllen. Es ist erstaunlich, was die Leute alles nicht bemerken, wenn man ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkt.«
    Kalt überlegte in fiebernder Hast, während er Scall und die Pferde dicht an die Hofmauer zur rechten Seite des Torbogens lenkte. Dann bündelte er seine Kräfte, bis er meinte, das Hirn müsse ihm platzen, und richtete sie auf einen Holzkarren, der beim Stalltor stehen geblieben war, wirkte auf sein zugrunde liegendes Gefüge ein, bis sich das Holz von innen erhitzte. Es war nicht leicht. Das Holz war feucht, und er konnte nur einen Teil seiner Aufmerksamkeit von dem Erhalt des Trugbildes abziehen. Wieder regten sich seine Zweifel. Würde er die Ablenkung erzeugen können, ehe er über alles die Gewalt verlor?
    Ohne vorheriges Anzeichen ging der Karren in Flammen auf – ein Leuchtfeuer, das trotz Sturm und Hagel lichterloh brannte. Vom Torbogen her kamen Schreie und Flüche, und die Wachen strömten heraus und über den Platz, um die lodernden Flammen zu löschen. Kalt handelte sofort. Er schob Scall durch den Torbogen und zog Grimms Pferd hinter sich her. Es blieben ihm nur ein paar Augenblicke, bevor das Feuer gelöscht wäre und die Wachen zurückkämen. Der Querbalken am Tor war schwer, für gewöhnlich brauchte es zwei Männer, um ihn zu heben. Kalt mühte sich fluchend ab und von der Furcht angespornt, die ihm wie kaltes Feuer in die Glieder schoss, gewann er irgendwoher die Kraft. Der Balken rutschte knirschend aus der Halterung, und mit an Seligkeit grenzender Erleichterung ließ er ihn fallen. Das Poltern, das sich im Widerhall des Torbogens vervielfachte, war trotz des heulenden Sturms deutlich zu hören. Vom Hof her kamen Rufe und das Trappeln der Stiefel – und dann merkte Kalt, dass er die Gewalt über das Trugbild verloren hatte.
    »Los!« Er gab Scalls Pferd einen Schlag auf das Hinterteil, und die Braune sprang in die Nacht hinaus, den Überbringer dicht auf den Fersen, dessen stämmigere Tiere Mühe hatten, mit der schnellfüßigen Stute Schritt zu halten.
    Sie brauchen eine Weile, um auf die Pferde zu kommen, und dann werden sie uns in dem wütenden Sturm hoffentlich nicht finden.
    Trotz seiner Erschöpfung, der zermürbenden Ungewissheit und der Trauer um Grimm lachte Kalt aus vollem Hals. Er hatte das Unmögliche vollbracht! Er war aus Arcans Festung entkommen, den Wachen unter der Nase entwischt! Dann wurde ihm erschrocken klar, dass er erst den ersten Schritt auf einem langen, mühevollen Weg getan hatte. Das Lachen erstarb ihm auf den Lippen, als er die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs abschätzte. Er würde Scall in seiner Gewalt halten, dem Wachtrupp ausweichen und diesem Ungeheuer von einem

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