Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
durchschwommen hatte, zeigte ihr die Stelle, von wo sie das Zeichen zu geben hatte, damit das Schiff unbehindert einlaufen konnte. Der eigene Befehl, keinen Lärm zu machen, war vergessen, und so hüpfte sie schreiend auf und ab, schwenkte die Fackeln über dem Kopf und war sich dabei bewusst, dass sie sich wie ein neunjähriges Kind benahm, doch sie freute sich zu sehr, als dass es sie kümmerte.
Bald war klar zu erkennen, dass die Lichter näher kamen. Mrainil jedoch stach von Toulacs Ausgelassenheit dadurch ab, dass er still wie ein Standbild auf den Hinterbeinen hockte und auf die See hinausstarrte. »Sieht es für dich so aus, als drehten sie zur Seite ab?«, fragte er.
Ein wenig von seiner Besorgnis teilte sich Toulac mit, und sie hörte auf, mit den Armen zu wedeln, und stand still wie der Dobarchu, während sie die Fackeln in die Höhe hielt. »Ich glaube, du hast Recht.«
Mrainil schnatterte aufgeregt. »Was denken sich diese Dummköpfe denn dabei? Sie halten geradewegs auf das Riff zu!«
Zavahl hatte so tief geschlafen, dass es ihm außergewöhnlich schwer fiel, wieder zu sich zu kommen. Als Toulacs Stimme in seine Träume drang, wusste er einen Moment lang nicht, wo er war und warum sich sein Bett so hart und klumpig anfühlte und seine Decke so schwer und dick. Hatte ihn jemand gerufen, fragte er sich benommen. Nun, es war gleichgültig. Er war sicher, so wichtig konnte es nicht sein. Er sank soeben zurück ins Traumreich, als ihn ein fischiger Atemstoß gründlicher aufweckte als eine ganze Flasche Riechsalz. Er riss die Augen auf und blickte in ein rundes, pelziges Gesicht mit blanken, schwarzen Augen, die ihn aus nächster Nähe anguckten. Das Tier schnatterte fragend, kitzelte ihn mit buschigen Schnurrhaaren im Gesicht, dann steckte es ihm seine breite, schwarze Nase ins Ohr. Zavahl erkannte seine kleine Freundin und endlich fanden seine nebelhaften Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Aus der Ferne konnte er noch immer Toulac rufen hören … Großer Myrial! Das Schiff musste gekommen sein!
Die Dobarchu stoben auseinander, während er sich auf Hände und Knie stemmte und aus der Hütte krabbelte. Sobald er die Senke zwischen den Felsen und den grellen Schein des Feuers verlassen hatte, sah er Toulac auf den Steinen im Wasser, wie sie wild rufend über ihrem Kopf die Fackeln schwenkte.
Mist! Ich bräuchte auch eine Fackel!
Zavahl machte kehrt und kletterte so schnell er konnte über das steinige Gelände zurück zum Feuer. Dort fand er ein langes Stück Treibholz in ihrem Vorrat und hielt es in die Flammen, bis es gut brannte. Dann drehte er sich hastig um und rannte wieder zurück, um Toulac zu helfen – zunächst wenigstens rannte er, solange er auf dem oberen Teil des Strandes war, wo man auf den trockenen Steinen guten Halt fand. Weiter unten in der Gezeitenzone waren sie voller Algen und Schlamm, und das zwang ihn, seinen Schritt beträchtlich zu bremsen, wenn er nicht stürzen wollte.
So bahnte er sich einen Weg ans Wasser, als plötzlich Männer aus der Dunkelheit auftauchten und ihm den Weg abschnitten. Er blickte von den wilden, unbarmherzigen Gesichtern auf die Messer, die in ihren Händen blitzten, und ihn durchfuhr die nackte, kalte Angst. Sie kamen langsam auf ihn zu, wobei sie achtsam auf die schlüpfrigen Steine traten, und Zavahl wich mit klopfendem Herzen zurück, und schwang vor sich die Fackel als seine einzige Waffe in einem weiten, schwankenden Bogen. Sie waren schon nah heran, da öffnete er den Mund, um nach Toulac zu schreien – und in dem Moment sah er aus den Augenwinkeln, dass sich ein Mann an sie heranschlich, der mit einem Schwert anstelle eines Messers bewaffnet war. Weil sie den ganzen Lärm veranstaltete, den sie ihm befohlen hatte nicht zu machen, hörte sie ihren Angreifer nicht kommen, und weil ihre ganze Aufmerksamkeit dem nahenden Schiff galt, war sie blind für die drohende Gefahr.
Zavahl schrie mit äußerster Kraft – und seine Gegner drangen auf ihn ein. Als er versuchte wegzurennen, geriet er in eine tiefe Stelle zwischen den Steinen und spürte den Schmerz sein Bein hinauffahren, als er sich das Fußgelenk verdrehte. Taumelnd stürzte er hin, die Fackel fiel ihm aus der Hand und erlosch. Dann waren sie über ihm. Aus dem Augenwinkel sah er eine Messerklinge niedersausen, und er wusste, dass alles aus war.
Toulac versuchte verzweifelt, Veldan mit ihren Gedanken zu erreichen, aber jedes Mal brach ihre geistige Kraft ein. Plötzlich
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