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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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auf meine Erinnerungen an die Fahrt hierher. Die Kapuze hatte zwar meine Augen bedeckt, aber meine Ohren hatten alles mitbekommen.
    Da waren hämmernde, stampfende Geräusche gewesen. Östlich von Bröhl befand sich ein Eisenwerk. Ich hatte irgendwo gelesen, dass die Anwohner seit Jahren vergeblich versuchten, gegen den Lärm der Fabrik vorzugehen.
    Und dann dieses … Rasseln. Einige Kilometer nördlich vom Eisenwerk betrieb ein Bauunternehmer einen Steinbruch. Möglicherweise hatte ich gehört, wie Kies oder Sand von einem Förderband auf einen Lastwagen geschüttet worden war.
    Das Kopfsteinpflaster. Wenn man der Landstraße weiter  folgte, kam man durch einen kleinen, malerischen Ort, dessen Straßen ihren ursprünglichen Belag behalten hatten, dicke, unregelmäßige Wackersteine. Sie hatten den Wagen vibrieren lassen. Die Bewegungen waren mir durch Mark und Bein gegangen.
    Danach war mir nichts Besonderes mehr aufgefallen. Ich hatte auch jedes Zeitgefühl verloren. Waren wir zwei Stunden unterwegs gewesen? Drei? Länger? Kürzer? Mir war es vorgekommen wie ein ganzer Tag.
    Meine Wahrnehmungen konnten mich aber auch getäuscht haben. Vielleicht hatte Manuel eine ganz andere Richtung eingeschlagen.
    Wir konnten überall sein. Das war das traurige Fazit meiner Überlegungen.
    Irgendwann kam Manuel wieder herunter. Ich versuchte, mich möglichst aufrecht hinzusetzen. Mein Rücken brannte vor Schmerzen. Manuel betrat die Kabine und guckte mich an. Ich fühlte mich nackt und hätte am liebsten die Augen zugekniffen, um seinen Blick nicht erwidern zu müssen.
    »Hunger?«, fragte er.
    Mir war schlecht vor Hunger. Doch der Gedanke an Essen beflügelte mich noch aus einem anderen Grund: Zum Essen brauchte ich meine Hände.
    »Ja«, sagte ich.
    Mein Kopf dröhnte, meine Lippe brannte, meine Augen fühlten sich an wie nach vierzehn Stunden am Computer, aber ich würde mich auf ihn stürzen mit aller Kraft, die ich noch zur Verfügung hatte.
    Sobald er mir die Fesseln löste. Ich musste ihn nur lange genug außer Gefecht setzen. Das einzige Gerät, das dazu infrage kam, war eine Rohrzange, die ich unter dem Sitz der Bank entdeckt hatte. Ein einziger Schritt und ich könnte sie greifen.
    Los, mach mir die Fesseln auf!
    Ich hatte nur die eine Chance und ich musste sie nutzen.
    Manuel ging wieder hinaus und kam mit einem dampfenden Teller zurück. »Ich hoffe, du magst Linsen.« Er rührte mit einem Löffel in der Suppe und setzte sich neben mich. »Ich werde dich füttern müssen, vorsichtshalber. Das verstehst du doch?«
    Die Enttäuschung trieb mir die Tränen in die Augen.
    »Na, komm schon.« Er hielt mir den Löffel an die Lippen. »Mach den Mund auf.«
    Ich drehte den Kopf weg, aber der Löffel folgte mir. Der Duft nach Majoran stieg mir in die Nase. Mein Magen knurrte voller Verlangen. Zögernd öffnete ich den Mund.
    »Braves Mädchen.«
    Ich kaute. Schluckte. Und hasste ihn.
    Er füllte den Löffel ein zweites Mal und hielt ihn mir wieder hin. Ich machte den Mund auf, doch diesmal kaute ich nicht.
    Ich spuckte ihm die Suppe ins Gesicht.
    Für einen Moment saß Manuel vollkommen reglos. Dann stellte er den Teller auf den Tisch. Er drehte sich zu mir um und schlug mir ins Gesicht.
    Es tat weh, aber ich gab keinen Laut von mir. Triumphierend starrte ich ihm ins Gesicht, in dem Linsen und Lauchfäden klebten.
    Er schlug mich noch einmal. Blut floss mir aus der Nase. Es fühlte sich warm an und weich und furchterregend.
    Manuel griff mir ins Haar und zog meinen Kopf so weit zurück, dass ich ihn ansehen musste. Ich erschrak vor seinem Gesicht. Es war von Hass verzerrt.
    »Wenn deine Mutter nicht wäre«, zischte er, »dann wärst du jetzt tot.«
    Er schlug mich ein drittes Mal, so heftig, dass ich zur Seite geschleudert wurde. Dann stürmte er hinaus. Erst jetzt wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Ich hatte mit meinem Leben gespielt.
     

Kapitel 29
    Jettes Wagen war in Borghausen entdeckt worden, in einem Viertel am Hafen, in das abends niemand mehr freiwillig einen Fuß setzte. Die Fensterscheibe auf der Fahrerseite war eingeschlagen worden. Das Radio fehlte.
    Glassplitter waren auf die Sitze geregnet, auf das Armaturenbrett und auf die Fußmatten. Die Spurensicherung hatte mehrere schwarze Haare sicherstellen können und sie ins Labor geschickt. Bis zum Ergebnis der DNA-Analyse würden einige Stunden vergehen, doch Bert war sich sicher, dass diese Haare demselben Mann gehörten, dessen Haar sie auf dem roten Kleid

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