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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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DVD angeschaut hatte, in dem ein irrer Mörder mit einer weißen Puppenmaske vor dem Gesicht eine ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt.
    Der hatte auch so geklungen. Eine Stimme wie von einem Band.
    Dennoch blitzte in Merles Kopf eine vage Erinnerung auf. An was oder wen, das konnte sie nicht sagen.
    Claudio hatte ihr seinen Wagen geliehen. Ausnahmsweise. Er mochte Jette und wollte ihr helfen, so gut er konnte. Manchmal war er wirklich in Ordnung, da flackerten all die verschütteten Gefühle in Merle wieder auf. Vielleicht sollten sie sich mal mit Tilo unterhalten. Vielleicht hatte der ein paar Tipps für sie, wie sie es schaffen konnten, miteinander auszukommen, ohne sich gegenseitig die Augen auszukratzen.
    Merle hatte ihren Besuch vorsichtshalber nicht angekündigt. Die Polizei kontrollierte bestimmt schon sämtliche Anrufe, die bei Imke Thalheim eingingen.
    Kein Wort zu den Bullen.
    Da hatte der Typ sich genau die Richtige ausgesucht. Kein Polizist hätte jemals auch nur ein Wort aus ihr herausbekommen. Der Kommissar war der einzige Bulle, dem Merle vertraute, und nicht mal ihm bedingungslos.
    Ihre Hände zitterten. Ihre Wangen glühten. Das schreckliche Geheimnis lag ihr schwer im Magen. Sie wurde von einem  Sportwagen geschnitten und drückte zornig auf die Hupe. Jetzt bloß keinen Unfall riskieren.
    Ich habe eine Nachricht für Imke Thalheim. Wenn sie ihre Tochter wiedersehen will, dann soll sie tun, was ich sage. Ich werde sie anrufen. Und zwar auf deinem Handy. Sieh zu, dass du das hinkriegst.
    Er will mich zur Vermittlerin machen, hatte Merle gedacht, damit ich Imke Thalheim für ihn finde. Er weiß noch nicht, dass sie wieder nach Hause gekommen ist.
    Hätte er es gewusst, wäre es nicht nötig gewesen, Jette weiter festzuhalten. Es wäre nicht mal nötig gewesen, sie überhaupt zu entführen.
    Deshalb hatte sie es ihm gesagt.
    »Imke Thalheim ist wieder da.«
    Ein kurzes Zögern. Und gleich ertönte wieder diese irre Stimme.
    Umso besser. Dann beeil dich. Und kein Wort zu den Bullen.
    »Was ist mit Jette? Wie geht es ihr?«
    Merle hatte die Frage fast in den Hörer geschrien. Doch dann hatte sie gemerkt, dass das Gespräch unterbrochen war. Er hatte einfach aufgelegt.
    »Gib Gas, du Schnarchnase!«, brüllte sie den Fahrer eines Polo an, der vor ihr an der Ampel stand und träumte. »Grüner wird’s nicht!«
    Sie wagte nicht, auf die Uhr zu sehen. Seit dem Anruf war bestimmt schon eine Viertelstunde vergangen.
    »Halt durch, Jette«, flüsterte sie. »Wir holen dich da raus. Halt nur noch ein bisschen durch.«
     
    »Herr Professor, haben Sie einen Moment Zeit für uns?«
    Der Mann, der sich aus dem Sessel am Fenster erhob, war  groß und hager und hatte ein schmal geschnittenes, empfindsames Gesicht. Frau Stein erklärte ihm, worum es ging, und Bert beobachtete die Reaktion des alten Mannes.
    Er nahm die Mitteilung, dass Jette verschwunden war, scheinbar unbewegt entgegen, doch es entging Bert nicht, dass das Unterlid seines rechten Auges unkontrolliert zu zucken begann.
    »Haben Sie irgendetwas bemerkt, das Ihnen seltsam vorgekommen ist?«, fragte Bert.
    Der alte Mann nickte. Er trat ans Fenster und sah hinaus. »Er war da draußen und hat das Haus beobachtet«, sagte er.
    Bert hielt die Luft an.
    »Vielleicht war er in sie verliebt, wer weiß?«
    Jetzt langsam. Vorsichtig. Bert wusste, dass ein Demenzkranker von einer Sekunde auf die andere vom Nebel seiner wirren Gedanken verschluckt werden konnte. »Haben Sie ihn oft gesehen, Herr Professor?«
    Der alte Mann versuchte, sich zu erinnern. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung. Dann wurde es vor Enttäuschung ganz leer. »Ich weiß es nicht.«
    Keine weitere Frage stellen, dachte Bert. Das setzt ihn nur unter Druck. »Bestimmt war er jung«, sagte er vorsichtig.
    »Nicht so jung wie Jette.« Der Professor wiegte den Kopf. »Aber auch nicht sehr viel älter. Ein dunkler Typ. Kein Intellektueller. Dazu waren seine Hände zu kräftig.«
    Bert versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Er hatte selten mit Zeugen zu tun, die über eine derart präzise Beobachtungsgabe verfügten.
    »Ein Introvertierter, wissen Sie, einer von denen, die nicht viel reden. Er kann auch vom Geheimdienst sein. Heutzutage sind die Grenzen doch fließend.«
    Mit diesen Worten verbeugte sich der alte Herr höflich, kehrte zu seinem Sessel zurück und wandte sich wieder  dem Fenster zu, als hätte es die Unterbrechung gar nicht gegeben.
     
    Imke

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