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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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einen Wein bestellt, und das nur, weil es ein Wein war, den Tilo gern mochte. Auf diese etwas verdrehte Weise war sie ihm nah. Sie vermisste ihn sehr.
    Am Stammtisch wurde Skat gespielt. Die Männer hatten schon kräftig getrunken, ihre Stimmen waren laut geworden, ihre Scherze wiederholten sich. Einer von ihnen starrte unentwegt zu Imke herüber. Noch eine weitere halbe Stunde und er würde ihr in eindeutiger Absicht zuzwinkern.
    An den übrigen Tischen saßen bunt gemischte Gäste, die hier ihr Geburtstagsessen verspeisten, ihr Geschäftstreffen abhielten oder einfach einen netten Abend verbringen wollten.
    Imke ließ den Tag noch einmal durch ihre Gedanken ziehen und machte sich Notizen. Es fiel ihr nicht schwer, sich an einem Ort wie diesem zu konzentrieren. Sie war so oft unterwegs, dass sie aus reinem Selbsterhaltungstrieb gelernt hatte, überall arbeiten zu können.
    Als sie wieder von ihrem Notizbuch aufschaute, hatte sich die Konstellation im Raum verändert. Die Skatbrüder waren noch da. Andere Gäste waren gegangen, neue hatten ihre Plätze eingenommen. Es kam Imke völlig unwirklich vor, hier zu sein, fern von zu Hause, abgeschnitten von ihrem normalen Leben.
    Der Skatspieler, der sie beobachtet hatte, zwinkerte ihr tatsächlich zu.
    Imke zwinkerte zurück, sah ihn schmunzelnd erröten, bat um die Rechnung und trank ihren Wein aus. Sie konnte nicht schnell genug in ihr Appartement kommen, um Tilo und Jette anzurufen.
     
    Bert war an einem toten Punkt angelangt. Das Material, das in Imke Thalheims Haus gesichert worden war, brachte sie nicht weiter. Der Täter hatte keinerlei Spuren hinterlassen.
    Intelligenter Hund, dachte Bert und ärgerte sich im selben Augenblick darüber. Seit wann führte er sich auf wie einer dieser selbst ernannten Gutmenschen, die Gesetzesbrecher für Wesen einer niederen Klasse hielten?
    Gesetzesbrecher, dachte er. Das wird ja immer schlimmer.
    Er hatte sich in seinen Emotionen verfangen, was die Arbeit erheblich erschwerte. Es gelang ihm nicht, den nötigen Abstand zu wahren. Er sah, was dieser Mann Imke Thalheim antat, und empfand einen Zorn, der ihn fast zerriss.
    Wenn sie nur auf irgendetwas gestoßen wären, auf einen einzigen Fingerabdruck, die Aussage eines Zeugen, irgendwas. Doch der Mann machte dem Namen, den er sich selbst gegeben hatte, alle Ehre. Er blieb im Schatten, unsichtbar.
    »Jeder macht mal einen Fehler, auch du, mein Freund.«
    Ein vorwurfsvoller Blick Margots zeigte Bert, dass er wieder laut gedacht hatte. Im Fernsehen lief eine Quizshow. Margot war süchtig nach solchen Sendungen, während sie Bert zu Tode langweilten. Er nahm sich seine Notizen vor. Überflog noch einmal alles, was er zu diesem Fall notiert hatte.
    Jeder Mensch hinterließ Spuren, jeder. Auch ein Schattengänger bewegte sich ab und zu im Licht.
     

Kapitel 15
    Regina Bergerhausen war auf dem Weg zur Arbeit. Sie benutzte das Fahrrad bei Wind und Wetter. Selbst Eis und Schnee konnten sie nicht dazu bewegen, mit dem Auto zu fahren. Ihr Mann nannte sie eigensinnig. Im Grunde hatte er recht damit, aber sie fand, dass es ihm nicht zustand, ihr Verhalten zu kritisieren.
    Ihre Ehe war im Laufe der beinah vierzig Jahre zu einer freudlosen Lebensgemeinschaft verkümmert, die hauptsächlich durch eine endlose Abfolge von Streit und Schweigen bestimmt wurde. Regina Bergerhausen konnte sich nicht erinnern, wann sie ihren Mann zum letzten Mal herzhaft hatte lachen sehen.
    Sie selbst lachte oft und gern, aber nur mit anderen Menschen. Sie hatte eigentlich ein anderes Leben verdient.
    Die Putzstellen waren ein kleiner Zipfel von der Freiheit, die sie sich erträumte. Während sie in fremden Häusern sauber machte, konnte sie sich einbilden, dort zu Hause zu sein. Für ein paar Stunden gehörte das alles ihr, die eleganten Teppiche, die gepflegten Möbel, die feinen Kleider in den Schränken, die Bilder an den Wänden. Für ein paar kostbare Augenblicke wusste sie, wie es sich anfühlte, glücklich zu sein.
    Zu Imke Thalheim ging sie besonders gern. Da hatte sie freie Hand. Niemand redete ihr drein. Sie konnte schalten und walten, wie sie wollte. Besonders dann, wenn Frau Thalheim auf Lesereise war, und das war sie oft.
    Es machte Regina Bergerhausen stolz, dass eine berühmte Schriftstellerin so große Stücke auf sie hielt, dass sie ihr das Haus und den Garten sogar in ihrer Abwesenheit anvertraute. Und ihren Lebensgefährten, denn vor ihrer Abreise neulich hatte sie Regina Bergerhausen gebeten, doch

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