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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Italy würde ihr kein Benimmlehrer so schnell austreiben.
    »Da schau her«, sagte Wolf mit einem Lächeln, das er stets für Rosie hatte, »wenn das nicht Little Miss Cairo ist!«
    »Nee, ich mach dieses Jahr eine neue Nummer. Meine Mutter meinte, ich brauche mehr was mit Kunst, wenn ich meinen Durchbruch in die feineren Kreise schaffen soll. Jetzt mache ich
Miss Rosalynd Darlings Museum der Lebenden Statuen
als Ein-Mädchen-Museum, samt Beschreibungen der illuminierten Miniaturen aus Mr Morgaunts weltberühmter Sammlung magischer Handschriften. Echt spitze. Nur krieg ich die weiße Farbe so schlecht aus meinem Haar. Außerdem bekomme ich schon mal einen Krampf vom langen Stillstehen. Ehrlich gesagt, mir war der Bauchtanz lieber.«
    Lily machte ein Geräusch, das Sascha wohl als Schnauben bezeichnet hätte, wenn es nicht von der zukünftigen Erbin der Astral-Millionen gekommen wäre.
    »Egal«, sagte Rosie in ihrer kernigen Art. »Aber was macht ihr eigentlich hier?«
    Wolf trat beiseite, damit sie die mit Kreide gezeichnete Umrisslinie auf der Bühne sehen konnte.
    »Oh nein!«, rief Rosie und legte die Hände über den Mund. »Wer ist das?«
    »Naftali Asher.«
    Bildete sich Sascha das nur ein oder war Rosie gar nicht mehr so bestürzt? Aber sie sagte nur: »Ach, wie schrecklich. Wie ist das passiert?«
    »Der elektrische Frack.«
    Rosie schüttelte ihre roten Locken. »Mir war dieser elektrische Schnickschnack nie geheuer.«
    »Sagte ich es nicht?«, fiel Goldfaden ein. »Selbstverständlich war es ein Unfall.«
    »Ja, gewiss«, sagte Rosie. »Ich würde auch nichts Schlechtes über den Toten sagen wollen. Und doch, wenn es einen Typ in der Varietészene gab, bei dem es mich nicht gewundert hätte, dass er mal so endet, dann Naftali Asher.«
    »Ach ja, warum denn?«, fragte Wolf ganz ruhig.
    Rosie sah ihn vielsagend an. »Sie haben den Mann vorher nie getroffen. Aber ich stimme Mr Goldfaden zu. Sein Garderobier Sam ist ein guter Junge, doch kein Technik-Ass. Ich habe Asher darauf hingewiesen, dass die elektrische Montur geerdet sein muss, aber er hat mir fast den Kopf abgerissen. Hätte er man bloß auf mich gehört. Schließlich habe ich oft genug Kurzschlüsse und Brände ausgelöst, als ich noch für Mr Edison gearbeitet habe. Seither verstehe ich einiges von elektrischem Strom.«
    »Du arbeitest nicht mehr für Edison?«, fragte Lily.
    »Nee, nach dem Brand im Hotel Elefant war mein Bild in der Zeitung. Das sah Mrs Edison und darauf begleitete sie ihren Gatten auf eine lange Reise nach Kalifornien. Sie wollte dort Werbung für seinen Kinematographen machen. Dabei kann er den Apparat kaum ohne meine Hilfe bedienen! Aber das Spiel kann man auch zu zweit spielen. Und da ich bereits einen Kinematographen für Edison erfunden habe, kann mir keiner verbieten, einen für mich selbst zu erfinden.«
    Sie stieß erneut einen Laut aus. »Menschenskind, wenn der Apparat heute funktioniert hat, müsste alles aufgezeichnet sein!«
    Plötzlich lief Rosie los. Sie flitzte den Gang hinunter zum Saalausgang. Wolf heftete sich gleich an ihre Fersen, hinter ihm watschelte Goldfaden, dann kamen die beiden Lehrlinge. In der Vorhalle sahen sie gerade noch Wolfs Mantelzipfel durch eine grüne Tapetentür wehen, die den Zugang zu einer steilen Treppe bildete.
    Als Sascha den Treppenaufgang betrat, hörte er ein Surren und Klackern von einer im oberen Geschoss laufenden Maschine. Das Geräusch kam ihm bekannt vor. Leider. Es erinnerte ihn an Edisons Ätherographen. Morgaunt hatte solch einen Apparat benutzt, um Saschas Seele zu stehlen und daraus einen Dibbuk zu formen. Und dann hatte Sascha auch noch in Morgaunts Hände gespielt, indem er ohne Bedenken den Dibbuk heraufbeschworen hatte. Beim Gedanken an diesen Frevel fühlte er sich immer wieder schuldig.
    Den Dibbuk hatte er nicht wiedergesehen, seit dieser beim Brand des Hotels Elefant in den Flammen verschwunden war. Seither hoffte Sascha inständig, dass die Kreatur nicht wiederkehrte. Andererseits wusste er, dass er mit J. P. Morgaunt noch nicht fertig war. Morgaunt hatte Sascha versichert, er habe den Stoff zum Magier. Und da ihm Maximilian Wolf schon genug Scherereien machte, würde Morgaunt auf keinen Fall einen weiteren Magier und Inquisitor in der Stadt dulden. Dann bot er Sascha die Mitarbeit in seinem Konzern an – und lachte nur, als Sascha ablehnte.
    Seit jener Nacht versuchte Sascha, Morgaunts höhnisches Lachen zu vergessen. Genauso hartnäckig wehrte er sich

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