Der Schattenprinz
wollte nicht sterben. Doch wenn er zuließ, daß Tenaka den Sarg öffnete, würde dieser nicht nur Ulrics Helm, sondern - wichtiger noch - auch dessen Schwert bekommen.
Sattelschädel grinste. »Also schön«, sagte er. »Gemeinsam!«
Sie gingen zum Sarg und hoben den Marmordeckel an, der knirschend zur Seite glitt. Die beiden Männer gaben ihm noch einen letzten Stoß; dann fiel der Deckel zu Boden, wo er in drei Teile zerbrach. Sattelschädel langte nach dem Schwert, das auf der Brust des Skeletts lag. Tenaka packte den Helm und sprang zur Seite. Sattelschädel kicherte.
»Na, Vetter? Was machst du jetzt?«
»Ich habe den Helm«, antwortete Tenaka.
Sattelschädel machte einen Satz nach vorn, wild um sich schlagend, doch Tenaka wich ihm aus, ließ stets den Sarg zwischen sich und seinem Gegner.
»Das könnten wir jetzt für alle Zeit so weiter treiben«, sagte Tenaka. »Wir könnten eine Ewigkeit damit verbringen, um diesen Sarg herum zu rennen.«
Sein Gegner räusperte sich und spie aus. Tenaka hatte recht - das Schwert war nutzlos, solange der Gegner nicht in Reichweite kam.
»Gib mir den Helm«, sagte Sattelschädel. »Dann bleiben wir beide am Leben. Wenn du versprichst, mir zu dienen, mache ich dich zu meinem Kriegsherrn.«
»Nein, ich werde dir nicht dienen«, erwiderte Tenaka. »Aber du kannst den Helm haben - unter einer Bedingung.«
»Nenne sie!«
»Daß du mir dreißigtausend Reiter überläßt, damit ich sie zu den Drenai bringen kann.«
»Was? Wozu?«
»Das können wir später besprechen. Schwörst du es?«
»Ja. Gib mir den Helm.«
Als Tenaka den Helm über den Sarg warf, fing Sattelschädel ihn geschickt aus der Luft und setzte ihn sich schwungvoll auf. Er zuckte zusammen, als eine scharfe Metallkante seine Kopfhaut ritzte.
»Du bist ein Dummkopf, Tenaka. Hat Asta Khan nicht gesagt, es würde nur einer zurückkehren? Jetzt habe ich alles.«
»Du hast gar nichts, Hohlkopf. Du bist tot!« sagte Tenaka.
»Leere Drohungen«, höhnte Sattelschädel.
Tenaka lachte. »Ulrics letzter Scherz! Niemand kann diesen Helm tragen. Hast du die scharfe Spitze gespürt, Vetter, als die vergiftete Nadel durch deine Haut drang?«
Das Schwert entglitt Sattelschädels Hand, und seine Beine gaben unter ihm nach. Er versuchte aufzustehen, doch der Tod zerrte ihn in seinen Höllenschlund hinab. Tenaka holte sich den Helm zurück und legte das Schwert wieder in den Sarg.
Langsam stieg er die Treppe hinauf und drückte sich an den Klingen vorbei, die aus der Vertäfelung ragten. Sobald er an der frischen Luft war, setzte er sich und legte den Helm in den Schoß. Er war aus Bronze, mit weißem Pelz besetzt und mit Silberdraht verziert.
Weit unten saß Asta Khan und betrachtete den Mond und Tenaka, der zu ihm hinunterkletterte. Der alte Mann sah sich nicht um, als Tenaka sich ihm näherte.
»Willkommen, Tenaka Khan, Herrscher der Heere!« sagte er.
»Bring mich nach Hause«, befahl Tenaka. -»Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Du mußt erst noch jemanden kennenlernen.« Weißer Nebel stieg wallend vom Boden auf, umwirbelte sie; dann trat eine mächtige Gestalt aus den Schwaden.
»Du hast dich gut gemacht«, sagte Ulric.
»Danke, Herr.«
»Hast du die Absicht, dein Wort gegenüber deinen Freunden zu halten?«
»Ja.«
»Also werden die Nadir den Drenai zu Hilfe kommen?«
»Ja.«
»Es ist, wie es sein sollte. Ein Mann muß zu seinen Freunden stehen. Aber du weißt, daß die Dre-nai vor dir fallen müssen? Solange sie überleben, können die Nadir nicht gedeihen.«
»Das weiss ich!«
»Dann bist du bereit, sie zu erobern - ihre Herrschaft zu beenden?«
»Ja.«
»Gut. Folge mir in den Nebel.«
Tenaka tat, wie ihm geheißen, und der Khan führte ihn ans Ufer eines dunklen Flusses. Dort saß ein alter Mann, der sich umdrehte, als Tenaka näherkam. Es war Aulin, der frühere Priester der Quelle, der in der Kaserne des Drachen gestorben war.
»Hast du dein Wort gehalten?« fragte er. »Hast du dich um Renya gekümmert?«
»Ja.«
»Dann setz dich neben mich, und ich werde mein Wort halten.«
Tenaka setzte sich, und der alte Mann lehnte sich zurück und starrte auf das dunkel dahinströ-mende, glucksende Wasser.
»Ich habe viele Maschinen der Älteren entdeckt. Ich habe ihre Bücher und Aufzeichnungen studiert. Ich habe Experimente gemacht. Ich habe viele ihrer Geheimnisse enträtselt. Sie wußten, daß der Niedergang bevorstand und haben viele Hinweise für künftige Generationen hinterlassen. Die
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