Der Schattenprinz
hier zu bleiben und auf dich zu warten.«
»Was für ein Mann?«
»Ein Mann aus einem Traum.«
Katan setzte sich neben den Jungen. »War es das erste Mal, daß er zu dir gekommen ist?«
»Dieser Mann, meinst du?«
»Ja.«
»Ja. Aber ich sehe oft andere - sie reden mit mir.«
»Kannst du zauberische Dinge tun, Ceorl?«
»Ja.«
»Was, zum Beispiel?«
»Manchmal, wenn ich Dinge berühre, weiß ich, wo sie herkommen. Ich sehe Bilder. Und manchmal, wenn jemand zornig auf mich ist, höre ich, was er denkt.«
»Erzähl mir von dem Mann, der zu dir kam.«
»Sein Name ist Abaddon. Er sagte, er wäre der Abt der Schwerter.«
Katan senkte den Kopf und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
»Warum bist du traurig?« fragte Ceorl.
Katan holte tief Luft; dann lächelte er. »Ich bin nicht traurig … jetzt nicht mehr. Du bist der erste, Ceorl. Aber es werden andere kommen. Du wirst mit mir reiten, und ich werde dich vieles lehren.«
»Werden wir Helden sein, wie der schwarze Mann?«
»Ja«, antwortete Katan. »Wir werden Helden sein.«
Ceskas Armeen kamen bei Sonnenaufgang. Sie marschierten in Zehnerreihen, angeführt von den Legionsreitern. Die lange Kolonne wand sich über die Ebene und gabelte sich, als sie zum Paß kam, der ins Tal von Magadon führte. Ananais war nur eine Stunde zuvor mit Thorn, Lake und einem Dutzend Männern dorthin geritten. Jetzt lehnte er an der Brüstung und beobachtete, wie die Truppen sich verteilten und ihre Zelte aufschlugen. Die Hälfte der Armee zog weiter nach Tarsk.
Ananais blinzelte in die aufgehende Sonne. »Ich glaube, das ist Darik - da in der Mitte. Das ist aber ein Kompliment!«
»Ich glaube nicht, daß ich mich mit allzu vielen solcher Komplimente wohl fühlen würde«, murmelte Thorn. »Darik ist ein Schlächter!«
»Mehr als das, mein Freund«, sagte Ananais, »er ist ein Meister des Krieges. Und das macht ihn zu einem Meisterschlächter.«
Eine Weile sahen die Verteidiger in grimmiger, schweigender Faszination den Vorbereitungen zu. Wagen folgten der Armee, hochbeladen mit roh gezimmerten Leitern, eisernen Enterhaken, Seilen und Vorräten.
Eine Stunde später, als Ananais im Gras schlief, marschierten Ceskas Bastarde auf die Ebene. Ein junger Krieger weckte den schlafenden General, der sich die Augen rieb und sich aufsetzte.
»Die Ungeheuer sind da«, flüsterte der Mann. Ananais sah seine Angst und klopfte ihm auf die Schulter.
»Keine Sorge, Kamerad! Sieh zu, daß du einen Stock im Gürtel hast!«
»Einen Stock, General?«
»Ja. Wenn sie der Mauer zu nahekommen, schleuderst du ihn weg und rufst: >Such!<«
Der Scherz half zwar nicht, aber er heiterte Ana-nais auf, der noch immer kicherte, als er die Stufen zur Brüstung emporstieg.
Decado lehnte an dem hölzernen Schaft des Riesenbogens, als Ananais zu ihm kam. Der Anführer der Dreißig sah ausgelaugt und hager aus; die Augen blickten in die Ferne.
»Wie fühlst du dich, Dec? Du siehst müde aus.«
»Alt, Schwarzmaske.«
»Fang du nicht auch noch mit dem Schwarzmasken-Unsinn an. Ich mag meinen Namen.«
»Der andere paßt aber besser zu dir«, sagte De-caco grinsend.
Die Bastarde hatten sich hinter den Zelten niedergelassen und bildeten einen großen Kreis um ein einzeln stehendes schwarzes Seidenzelt.
»Das muß Ceska sein«, meinte Ananais. »Er geht kein Risiko ein.«
»Anscheinend müssen wir alle Bastarde für uns behalten«, mutmaßte Decado. »Ich sehe keine Anzeichen dafür, daß sie sich teilen.«
»Unser Glück!« sagte Ananais. »Von ihrem Standpunkt aus macht es jedoch Sinn. Es spielt keine Rolle, welche Mauer sie überwinden - eine reicht, dann sind wir am Ende.«
»Tenaka wird in fünf Tagen hier sein«, erinnerte Decado ihn.
»Wir werden nicht mehr da sein, um ihn zu sehen.«
»Vielleicht, Ananais .«
»Ja?«
»Es spielt keine Rolle. Wann, glaubst du, werden sie angreifen?«
»Komm schon! Was wolltest du eben sagen?«
»Nichts. Vergiß es.«
»Was ist los mit dir? Du siehst trauriger aus als eine kranke Kuh!«
Decado lachte gezwungen. »Ja - ich werde nicht nur älter, auch ernster. Es ist ja nicht so, als ob wir uns über irgend etwas Sorgen machen müßten -nur über zwanzigtausend Feinde und ein Rudel Höllenbiester.«
»Da hast du wohl recht«, stimmte Ananais ihm zu. »Aber ich wette, Tenaka macht sie verdammt schnell zu Kleinholz.«
»Das würde ich gerne sehen«, sagte Decado.
»Wenn Wünsche Meere wären, wären wir alle Fische«, sagte Ananais.
Der große
Weitere Kostenlose Bücher