Der Schattenprinz
sah mich um und suchte meine Schultasche. Leider konnte ich sie nirgendwo finden.
Wo ist diese blöde Tasche?, fragte ich mich. Wo habe ich sie bloß gelassen? Das letzte Mal hatte ich sie im Badetrog auf dem Zauberbach gesehen.
Vielleicht habe ich die Schultasche dort vergessen?, dachte ich. Blödsinn! Wie konnte ich die Tasche dort vergessen haben, wenn ich gar nicht dort war?
Ich suchte weiter nach meiner Tasche.
Plötzlich musste ich damit aufhören. Vor dem Vorhang hörte ich Stimmen. Instrumente wurden gestimmt und dann fingen viele Leute an zusammen zu singen. Erschrocken versteckte ich mich hinter dem umgestürzten Baum und hoffte, dass mich dort niemand finden würde. Die Menge vor dem Vorhang sang:
»Komm mit, komm mit.
Du musst mit uns mit.
Die, die irren, gehen unter.
Nur die Klugen bleiben munter.«
Dann spielte die Musik mit vielen Instrumenten gleichzeitig und ein wenig später begann eine tiefe Stimme zu singen:
»Es muss immer der zurück,
der dem Schatten
sieht ins Gesicht.
Nur dem folgt das Glück,
nur der kommt zurück.«
Dann hörten die Musik und der Gesang auf. Eine Männerstimme sagte, dass der Chor kräftiger und schneller singen müsste. Dies fand ich alles sehr interessant. Aber noch interessanter war das, was der Mann mit der tiefen Stimme gesungen hatte. Es hieß wohl so viel wie: Wenn jemand das Gesicht eines Schatten sieht, muss er sofort zurückkommen.
Genau das war mir passiert. Ich hatte dem Schattenprinzen ins Gesicht gesehen und darum war ich wieder hier.
Vielleicht war es doch kein Traum? Vielleicht ist das alles wirklich passiert? Vielleicht habe ich den Schattenprinzen wirklich getroffen?, dachte ich. Jetzt schwimmt er alleine in dem Holztrog auf dem Zauberbach. Wenn er wach wird, wird er mich sicher suchen. Er braucht doch meine Hilfe. Wenn wir nicht alle magischen Zaubersachen finden, wird Jola ewig weinen müssen. Ich muss sofort zu ihm zurück. Aber wie?
Ich dachte und dachte, aber eine Lösung konnte ich nicht finden. Dann passierte etwas, das mir gar nicht recht war. Der Vorhang öffnete sich und alle Leute kamen auf mich zu. Sie hatten mich noch nicht gesehen, aber sicher würden sie mich bald in meinem Versteck entdecken. Ich musste mich besser verstecken, aber ich wusste nicht, wie und wo. Im letzten Moment kam mir eine Idee.
Ich kann mich in dem gelben, echten Stein verstecken! Das Zaubergedicht kann ich auswendig. Ich muss nur gut aufpassen, dass ich die letzte Zeile falsch singe, damit ich nicht durch den Stein hindurchspringe.
Ich sagte also das falsche Zaubergedicht so, dass es mich in den Stein führte, auf:
»Ein, zwein, drein, da steht ein^Stein.
Sechs, fünf, vier,
Stein öffne deine Tür.
Sieben, acht, es ist gemacht.
Neun und zehn,
bequem in den Stein springe ich bequem.«
Ich sah, wie sich der Stein öffnete. Wieder hielt ich mir die Nase zu und sprang in den Stein. Dort, wo ich landete, war alles gelb. Also wusste ich, dass ich im Stein war.
Durch den Stein allein
Sofort fand ich die gelbe Straße. Ich fing an zu laufen, damit ich nicht versteinerte, ehe ich den Stein verlassen konnte.
Als ich an die Kreuzung kam, konnte ich den Mann aus Stein nicht sehen. Der Zwerg aus Stein war da. Schade, dachte ich, Ich wollte mich bei beiden dafür bedanken, dass sie uns geholfen hatten die Lösung zu finden, mit der wir den Stein verlassen konnten. Und bei dem Steinmann wollte ich mich entschuldigen, dass ich ihn für verrückt gehalten hatte.
»Herr Zwerg«, fragte ich den Zwerg, »weißt du die Antwort auf das Rätsel über den Meister aus Stein, der in einem Holzhaus lebt.« Ich sagte ihm das Rätsel auf und war sehr überrascht über seine Antwort:
»Ich weiß nur, dass du es weißt«, sagte er.
Ich wollte ihn schon fragen, was er damit meinte, als ich spürte, wie meine Beine wieder schwer und steinig wurden. Ich beschloss schnell weiterzulaufen, um den weinenden Felsen zu finden.
Diesmal fand ich den Felsen sofort und setzte mich darunter. Dann sagte ich die Zauberformel, die uns der Mann aus Stein beigebracht hatte.
Ich war mir sicher, dass ich keine Zeile falsch gesagt hatte, weil auf der gelben Wiese vor mir ein großes, rostiges Eisentor aus dem Boden wuchs. Es öffnete sich wieder ganz langsam mit lautem Knarren. Die Kraft strömte aus dem rostigen Tor und nahm mich mit. So verließ ich den Stein wieder.
Jetzt war ich wieder da, wo die Dunkelheit und das Nichts herrschten. Und das war gut
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