Der Schattenprinz
Trog saßen, der langsam die Treppe hinunterschwamm.
Ich versuchte den Trog mit beiden Händen aufzuhalten. Doch die Treppe war so rutschig, dass es mir nicht gelang. Bei jedem Ruck, den wir machten, hatte ich Angst, dass der Trog auf den Steintreppen kaputtgehen würde.
Ich hoffte, dass der Prinz bei diesem Geruckel endlich aufwachen würde. Vielleicht hatte er eine Idee, was wir tun könnten. Aber nein. Er schlief weiter. Ich sah mir die Bilder, die die Wände bedeckten, genauer an. Auf einem sah ich mich, wie ich auf die zwei Stühle kletterte, die auf dem wackeligen Tisch standen. Dann trug uns die rutschige Treppe weiter und ich sah ein neues Bild. Darauf konnte ich mich und die weinende Johanna mit ihrem kaputten Fahrrad sehen. Auf einem weiteren Bild konnte ich mich im Schuhgeschäft erkennen. Ich probierte gerade meine neuen Schuhe an. Es war schön zu sehen, dass die Schuhe nicht den kleinsten Kratzer hatten. Auf einem neuen Bild war ich in der Schule und schrieb gerade das Wort »Mama« in mein Heft. Wir rutschten wieder weiter. Ich sah ein neues Bild. Jetzt saß ich auf den Schultern meines Großvaters und ritt durch das Zimmer, während er Mundharmonika spielte. Ich musste lachen. Doch wieder rutschte der Trog eine Stufe nach unten und ich sah ein anderes Bild. Auf diesem Bild sah ich mich neben der Wiege, als ich meine neugeborene Schwester betrachtete. Auf dem Bild, das danach kam, weinte ich im Kinderwagen. Danach konnte ich auf den Bildern nichts mehr erkennen, denn der Trog rutschte nun schneller und schneller nach unten. Und dann passierte das, vor dem ich mich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Wir kamen am Ende der Treppe an und der Trog zerbrach mit einem lauten Krachen.
Der Prinz schlief weiter, als ob nichts passiert wäre. Nun wusste ich überhaupt nicht mehr, was ich tun sollte. Das Einzige, was mir einfiel, war, die Treppe wieder nach oben zu klettern, damit ich mir die schönen Bilder noch einmal ansehen konnte. Nur leider gelang es mir nicht. Die Treppe war so rutschig, dass ich es nicht nach oben schaffte. Nach einigen Versuchen setzte ich mich auf den Boden, öffnete meine Schultasche, um die wunderschöne Seerose anzusehen. Das Geräusch, das meine Tasche beim Öffnen machte, weckte den Prinzen auf.
»Musst du immer so einen Lärm machen?«, fragte er.
Ich antwortete nicht darauf, denn ich war böse.
»Ich habe gut geschlafen«, sprach der Prinz weiter. »Ist inzwischen irgendetwas passiert?«
»Nein«, erwiderte ich böse.
»Na, dann ist ja alles in Ordnung. Wo sind wir jetzt?«
»Nirgendwo.«
»Sehr gut.«
»Blödmann. Was ist daran gut?«
»Selber Blödmann. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass der, der irgendwo im Nirgendwo ist, ganz nah bei unserer Schattenwelt ist. Willst du die Geschichte hören?«
Irgendwo im Nirgendwo
Nein, nein, nein, wollte ich sagen, aber ich sagte ja. Ich war zu neugierig auf die Geschichte.
»Ich erzähle dir alles, woran ich mich erinnern kann«, sagte der Prinz. »Meine Großmutter ist eine gute Geschichtenerzählerin.« Der Prinz machte sich wichtig und versuchte wahrscheinlich die Stimme seiner Großmutter nachzumachen.
»Es war so, meiner lieber Nal ...«
»Wer ist jetzt wieder dieser Nal?«
»Das bin ich, ich heiße so.«
»Wie heißt du? Sage es noch einmal«
»Nal. Ich heiße Prinz Nal Amnil.«
»Ich wusste nicht, dass Schatten Namen haben.«
»Oh ja. Wie die Menschen haben auch Schatten Namen.«
Ich schämte mich ein bisschen dafür, dass ich gedacht hatte, Schatten hätten keine Namen. Aber der Prinz war nicht verletzt und erzählte weiter.
»Es war so, mein lieber Nal, und du musst mir glauben, dass es so war. Die Schattenwelt ist nicht die einzige Welt, die es gibt. Es gibt außerdem noch die Welt, in der Menschen, Säugetiere, Vögel, Fische und viele andere Wesen leben. Und es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, von ihrer Welt in unsere zu gelangen. Man muss nur durch einen Stein springen. Mit dem Zaubergedicht kann man ganz einfach hin- und zurückkommen. Das ist zwar nicht der einzige Weg, aber es ist der einfachste. Es gibt noch einen Weg, den nur wenige alte Schatten kennen. Dabei muss man aber das Nirgendwo finden. Wer das Ende der rutschigen Treppe erreicht, kommt irgendwo in das Nirgendwo. Dort muss man dann so lange warten, bis das große Maul und das kleine Maul kommen. Die beiden Mäuler versuchen dich dazu zu bringen, durch eines von ihnen hindurchzugehen.
Durch welches Maul zu gehen der
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