Der Schattensucher (German Edition)
nervöser. »Es tut mir leid.«
»Mir tut es auch leid, Levin. Aber nun ist es gut. Ich bin froh, dass du mitmachst.«
»Du bist also fest entschlossen?«, fragte er und sah sie eindringlich an.
»Ja. Du hoffentlich auch.«
Er zögerte, dann sagte er: »Ja, ich bin fest entschlossen.«
Sie lächelte. Dann klirrte sie mit dem Schlüsselbund in ihrer Hand. »Ich glaube, die sind froh, wenn ihnen jemand die Tour durchs Gefängnis abnimmt.«
»Sind da oben viele?«
»Wie man’s nimmt. Sie sollten dich nicht gerade sehen.« Sie schloss ihm die Tür auf.
»Hast du auch schon eine Idee?«
»Mach dir mal keine Sorgen. Ich habe mir so ein paar Gedanken gemacht.«
So ein paar Gedanken? Levin machte sich ernsthafte Sorgen. Er sollte sich also auf die spontanen Intuitionen dieses Weibes verlassen?
Sie gingen die steile Treppe hinauf und erreichten die Eisentür. Elena musterte Levin von oben bis unten. Dann schüttelte sie den Kopf, zog einen hässlichen braunen Umhang aus ihrem Beutel hervor und legte ihn Levin um. Anschließend spuckte sie sich in die Hände und fuhr ihm damit wild durch die Haare.
»Was machst du da?«
»Es muss echt aussehen.«
Als sie fertig war, nickte sie und schloss vorsichtig die Tür auf. Sie schaute durch den Spalt und winkte ihm, ihr zu folgen. Die Tür führte zu einem breiten Gang, in dem es weitere Türen gab. Elena wollte gerade etwas sagen, als sie Schritte hörten. »Schnell!« Sie nahm Levin an der Hand und verschwand mit ihm in der nächsten Türnische. Ein Wächter marschierte den Gang herauf und blieb verdutzt stehen, als er die offene Eisentür erblickte.
»Hallo? Ist da wer?« Misstrauisch nahte er sich der Tür.
»Na wunderbar«, flüsterte Levin ihr zu. »Gehört das auch zu deinem Plan?«
Elena ging nicht darauf ein, sie wartete, bis der Wächter hinter der Tür verschwunden war. »Bleib hier!«, sagte sie in scharfem Ton. Sie huschte aus dem Versteck und folgte dem Wächter zum Treppenabgang.
Levin ballte die Fäuste. Er hasste es, wenn man ihm Befehle gab. Wenn sie auch noch lauteten, dass er sich nicht bewegen durfte, stieg regelrechter Groll in ihm hoch. Und das in einer Nacht, in der es um alles ging. Aber schön, sie würden ihn noch brauchen, Elena konnte ihn nicht im Stich lassen.
Versuch dich auf sie zu verlassen! , befahl er sich nun selbst.
Eine quälende Minute verharrte er im Versteck, dann hörte er vom Keller her einen Schlag, Rufe und ein Klirren. Aufgeschreckt rannte er zur Eisentür und die Treppe hinunter. Was machte sie nur für Dummheiten!
Als er im Zellentrakt ankam, sah er Elena vor seiner Zelle stehen und höhnisch durch das verschlossene Gitter lachen. Dahinter schimpfte der Wächter wie ein Rohrspatz. Verärgert sah Elena zu Levin hinüber: »Ich habe dir doch gesagt, du sollst stehen bleiben! Ich mache das hier schon.«
Sie gingen wieder nach oben, Levin schaute beschämt von ihr weg. Triumphierend erzählte Elena, dass sie dem Wächter bis vor die Zelle gefolgt war. Als er vor dem geöffneten Gitter gestanden hatte, hatte sie ihn angesprochen, der Wächter hatte nicht schnell genug reagiert, Elena hatte ihn in die Zelle gestoßen und das Gitter verriegelt. »Die haben hier aus Sicherheitsgründen nur einen Schlüsselbund für das Verlies. Wenn die Eisentür zu ist, wird man sein elendes Schreien nicht so schnell hören«, sagte sie und verriegelte die Tür.
Oben im Gang führte Elena ihn zu einer Holztür auf der linken Seite. Noch einmal zerzauste sie sein Haar, dann sagte sie: »In Ordnung, das müsste klappen. Kriegst du es hin, einfach gar nichts zu machen?«
»Was hast du vor?«
»Da drin wartet die Bereitschaft, mindestens zehn Männer. Ich werfe dich über die Schulter und spaziere durch. Ich habe auch schon eine gute Erklärung.«
»Jetzt reichts mir! Du willst mich durch die Gegend schleppen wie einen Krüppel?«
»Willst du hier raus oder lieber einen Kopf kleiner werden?«
Er verkniff es sich zu widersprechen. Mit einem zufriedenen Blick packte Elena ihn und hob ihn stöhnend über ihre Schulter. Mit Adlerklauen hielt sie ihn an den Beinen fest.
»Meine Güte! Hast du wirklich drei Wochen Gefängnisnahrung hinter dir?«
»Wir können gerne tauschen.«
»Vergiss es. Wir machen es so, wie ich gesagt habe. Denk dran: Dein Gesicht muss immer zu meinem Rücken zeigen. Ein bisschen Herumlallen würde auch nicht schaden.«
»Was soll ich?«
Ohne weitere Erklärungen abzugeben riss sie die Tür auf und spazierte festen
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