Der Schattensucher (German Edition)
Schrittes in den Raum hinein. Levin konnte nur ahnen, wie es zuging. Bestimmt ein Dutzend männlicher Stimmen hörte er, lauter Soldaten um sie herum, die versuchten die Zeit totzuschlagen. Er hörte, wie Dolche geschliffen wurden, Becher sich leerten und Gerüchte weitererzählt wurden. Als sich einige von ihnen an Elena wandten und verwunderte Kommentare äußerten, hörte Levin eine schockierend männliche Stimme aus Elenas Mund: »Unten ist alles in Ordnung. Den Kerl hier hab ich im Weinkeller geschnappt. Diese Knechte sind so was von versoffen.«
Als Levin verstanden hatte, fing er an, ein paar unbeholfene Laute von sich zu geben.
»Wie ist der da reingekommen?!«, fragte ein Kerl, der sich ganz in der Nähe von Elena befand. Sie blieb stehen.
»Das müsst Ihr doch wissen. Ihr schiebt hier Wache.«
Nicht ganz so theatralisch, Elena! , rief Levin ihr in Gedanken zu.
»Jungs, habt ihr mal wieder nicht aufgepasst?«, fragte der Mann in den Raum hinein. Das Messerschleifen hörte auf.
»Wir waren alle da«, sagte einer.
»Vielleicht durch irgendein Fenster im Keller«, sagte ein anderer.
»Ich glaube«, fiel Elena jetzt ein, »die kommen irgendwo über die oberen Stockwerke rein. Dann hat der Posten drinnen nicht recht aufgepasst.«
»Wie auch immer«, kam es von dem Soldaten. »Schafft ihn fort! In Zukunft haben wir ein Auge auf den Weinkeller. Ist sowieso kaum noch was da.«
Endlich konnten sie weitergehen. Aus den Augenwinkeln sah Levin ein paar der Wachen. Sie saßen auf Bänken oder standen an die Wand gelehnt. Einige sahen ihn herablassend an, andere spotteten über ihn. Einer schüttete ihm hämisch lachend einen Becher mit warmer Flüssigkeit über den Kopf, über die Levin nicht weiter nachdenken wollte. »Hört auf, ihr Idioten!«, schrie Elena, ehe sie am Ende des Raums angekommen war und die Tür nach draußen öffnete.
Ihr Atmen klang mühselig, als sie schließlich über den Kies im Hof marschierte. »Gleich bin ich dich los, du schwerer Kartoffelsack!«, sagte sie und schritt auf eine schattige Stelle vor einer Wand zu. »Du stinkst übrigens wie …«
»Ich will es nicht wissen!«
Da öffnete sich die Tür hinter ihnen und ein Soldat rief ihnen nach: »He, wartet!« Elena blieb stehen, er kam näher. »Mir ist gerade etwas eingefallen. Der Hauptmann hat befohlen, dass wir Leute, die sich unbefugt in die Kaserne schleichen, über Nacht ins Verlies stecken sollen. Da soll ihn sein Herr morgen selbst abholen.«
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Elena, die rasch auf die Männerstimme umgeschaltet hatte.
»Zur moralischen Belehrung vermutlich«, sagte der Mann und trat noch einen Schritt näher. Jetzt war er ungefähr einen halben Meter von Levin entfernt. »Sagt mal, irgendwie kommt mir der Typ bekannt vor.«
Levin spürte, wie sich Elenas Hände verkrampften. »Ihr habt ihn bestimmt mal auf dem Hof getroffen«, sagte sie nervös.
»Nein, das muss woanders gewesen sein.« Entschlossen griff er in Levins Haare und hob seinen Kopf an. Er bückte sich und schaute Levin ins Gesicht.
Der riss die Augen auf, sagte: »Recht hast du!«, zückte das Messer aus Elenas Gürtel und schlug ihm die Unterseite des Griffs gegen die Schläfe. Von einem dumpfen Schlag begleitet ging der Wächter zu Boden. Levin löste sich aus Elenas Griff und ließ sich auf den Boden fallen. Sofort war er neben dem Soldaten und hielt ihm das Messer an die Kehle. Er zog es zurück, als er merkte, dass der Mann ohnmächtig war.
»Na wunderbar!«, sagte Elena. »Ich hatte wohl vergessen, dir zu sagen, dass kein Mensch von unserer Flucht erfahren darf. Wir haben noch einiges vor uns und bis dahin darf der Graf nicht alarmiert sein.«
»Hatte ich eine andere Wahl? Wir schaffen ihn weg, dann merkt keiner was.«
Widerwillig half sie ihm, den ohnmächtigen Körper in eine Mauernische zu ziehen, zu fesseln und zu knebeln. Dann huschten sie an den Mauern entlang in den südlichen Teil des Vorhofs. Als Elena »Jetzt!« flüsterte, rannten sie quer über die Kiesfläche auf die Außenmauer zu. Sie gelangten an einen Durchgang, der sie schließlich in einen Erker führte.
»Hier hast du also mit deinen Leuten Kontakt gehalten. Schönes Plätzchen.«
»Du gehst zuerst«, sagte Elena trocken und reichte ihm ein Seilende.
Sie banden das Seil um eine dünne Säule und warfen es hinaus. Es reichte gerade bis zum Fuß der Anhöhe. Ohne lange in die Tiefe zu sehen, stieg Levin hinaus und ließ sich an dem Seil hinunter. Er hatte
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