Der Schattensucher (German Edition)
zu ihm gehen und ihn herauslocken.«
Merkus lachte auf. »Darauf sollen wir reinfallen!«
»Ich bin unbewaffnet. Wenn der Graf mich erblickt, wird er zwar erschrecken, aber ich kann ihn dazu bringen, dass er nicht sofort Alarm schlägt.«
»Wieso sollte er das gerade bei dir tun?«
»Sagen wir: Der Graf und ich hatten ein recht persönliches Verhältnis zueinander. Ich glaube, er hat noch ein letztes Quäntchen Vertrauen zu mir. Ich werde es einsetzen. Ich sage ihm, dass ein paar Leute hinter ihm her sind und wir schnell verschwinden müssen. Glaubt mir, ich kann es ihm so vermitteln, dass er mir das abnimmt. Wir kommen durch die Tür ins Labor, dann könnt ihr ihn ergreifen.«
»Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe«, widersprach Merkus. »So blöd ist nicht einmal der Graf. Wenn er dich sieht, wird er toben. Lasst uns kurzen Prozess machen.«
Elena achtete kaum auf Merkus’ Worte, sondern schaute Levin eindringlich an. »Du bist dir sicher, dass Thanos dir vertraut?«
»Ja, das bin ich.«
»Also schön. Dann machen wir es so. Du bekommst fünf Minuten, um ihn zu überreden. Wenn ihr bis dahin nicht rauskommt, stürmen wir das Gemach, verstanden?«
»Verstanden. Ihr könnt euch auf mich verlassen.«
Merkus verkniff sich einen Einwand, schüttelte aber demonstrativ den Kopf.
Levin schaute ihnen allen ein letztes Mal ins Gesicht. »Und keinen Muckser hier draußen!« Dann öffnete er leise die Tür.
Noch immer hielt er die brennende Fackel in der Hand, als er die Tür wieder schloss und auf dem vertrauten Fellteppich stand. Sofort hörte er, dass das Atmen im Bett unruhiger wurde, es raschelte, dann richtete sich Thanos auf. »Was … was ist das?«
»Pssst! Ich bin’s«, sagte Levin im Flüsterton.
Thanos kniff die Augen zusammen, dann erschrak er und riss sie auf. »Du? Was hast du hier zu suchen?« Geistesgegenwärtig schnellte seine Hand zum Band an der Glocke.
»Halt! Warte!«
Thanos hielt inne, ließ das Band aber nicht los. »Keinen Schritt weiter!«, sagte er streng.
Levin blieb stehen.
»Also: Was hast du hier zu suchen?«
»Ich weiß, dass ich dich betrogen habe, Thanos. Du hättest keinen Grund, mir noch zu glauben.«
»Ganz recht. Deshalb werde ich jetzt die Wachen rufen.«
»Nein, bitte tu das nicht. Ich habe alles riskiert. Es geht um dein Leben. Sie sind hinter dir her.«
»Wer ist hinter mir her?«
»Die Leute von Gereon. Elena …«
»Gereon!« Thanos öffnete den Mund und blickte in die Ferne. Dann lachte er. »Wieso sollte Gereon hinter mir her sein? Das ist doch Blödsinn. Er ist ein braver alter Mann.«
»Er will dich töten.«
Thanos schwieg und hielt immer noch die Glocke fest. Wenn er eine falsche Bewegung machte, war das Spiel aus.
»Gereon will mich töten. Und dich hat er hierfür aus dem Verlies geholt?«
»Elena hat mich befreit. Sie wird alles tun, um dich zu erwischen.«
»Du meinst die Frau, mit der du angeblich verheiratet warst.«
»Ich meine die Elena, die einst hier gelebt hat und mit deinem Sohn verlobt war.«
Thanos verschlug es die Sprache. Zuerst fror sein Gesicht ein, dann wurden seine Augen feucht.
Ganz vorsichtig näherte sich Levin dem Bett. »Thanos, ich habe dich sehr enttäuscht. Du hättest allen Grund, mir nicht zu glauben – einem Betrüger. Aber ich flehe dich an, mir noch ein letztes Mal zu vertrauen.«
Thanos schaute ihn mit mildem Blick an, während Levin näher kam. Seine Finger glitten sachte an dem Band hinab. Plötzlich griffen sie wieder fest zu. »Halt! Bleib stehen!«
Levin hielt inne, die Augen starr auf die Glocke gerichtet.
»Warum solltest du mir helfen wollen?«
»Ich … ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen.«
Thanos runzelte die Stirn.
»Wenn du mir erlaubst, dir zu helfen, werde ich es dir erklären. Thanos, es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, wer du bist.«
Endlich ließ Thanos das Band los. »Gut. Ich vertraue dir.«
»Danke.« Sie tauschten einen intimen Blick aus, dann schaute Levin sich hektisch um. »Zieh dir schnell etwas über. Wir haben nicht viel Zeit.«
Thanos legte seine Tageskleider an, während Levin das Seil zur Hand nahm.
Elena ging auf und ab. Merkus und Sandrin standen mit den Schwertern vor der Tür bereit und machten sie ganz nervös. Sie hatte es zu verantworten, wenn Levin versagte. Das hatte sie gewusst und es wurde ihr mit jeder Minute mehr bewusst. Der innere Druck stieg, wenn sie den beiden in die Augen schaute und einen skeptischen Blick erntete.
Ich
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