Der Schattensucher (German Edition)
die Übung nicht verloren. Als die Mauer endete und in die Felswand überging, musste er auf die spitzen Steine achten. Er sah nach oben, wo Elena ihm unmittelbar folgte. Nach kurzer Zeit hatten sie den Boden erreicht und standen nun am Fuß der Anhöhe von Briangard.
»Und jetzt?«
»Auf der Ostseite erwarten uns die anderen. Dort kommen wir ungesehen rüber.«
Sie gingen am Fuß der Anhöhe entlang, bis sie die Ostseite der Festung erreicht hatten. Durch ein dichtes Wäldchen wurden sie geschützt. Elena marschierte zielstrebig voran und schien genau zu wissen, wo es hinging. Bald hatten sie das Ende des Wäldchens erreicht und fanden sich am Rand eines abgelegenen Weges wieder, der aus der Nordoststadt zur Meskanmine von Alsuna führte. Hundert Meter entfernt erblickten sie einen Pferdewagen, der sie zu erwarten schien.
Wenig später saßen sie auf der Pritsche des Wagens, der Richtung Westen raste. Vorne saßen Merkus und Sandrin und peitschten die Pferde an. Levin hatte ihnen erklärt, dass sie zum Bergfriedhof fahren müssten. Sie hatten ihn streng gemustert und gefragt, ob er sie wieder täuschen wolle. Elena hatte ihnen befohlen, auf Levin zu hören, und so waren sie schweigend losgefahren. Derweil zog sich Levin die Lederkleider an, die Elena ihm mitgebracht hatte. Einen festen Gürtel trug er jetzt, Schoner an den Handgelenken und stabile Schuhe. Nur Waffen gab sie ihm keine.
»Wie lange werden wir brauchen, bis wir durch den Geheimgang durch sind?«, fragte sie ihn.
»Keine halbe Stunde.«
»Gut. Es wird sehr knapp. Die Wachen werden spätestens in einer Stunde wieder nach dem Verlies schauen. Wenn sie merken, dass der Schlüssel weg ist, wird etwas los sein in der Kaserne. Eine weitere Viertelstunde, dann bemerken sie dein Fehlen und werden ganz Briangard in Alarm versetzen. Bis dahin müssen wir Thanos in unserer Gewalt haben.«
Levin nickte. Er vermied jedes unnütze Wort. Ihm war nicht danach, sich weiter mit Elena auszutauschen. Die Versuchung war zu groß, sich auf ein ernsthaftes Gespräch einzulassen. Das war in der jetzigen Situation ungünstig.
Elena schien die Signale zu verstehen und beschränkte sich auf das Nötigste. Aber das Feuer in ihren Augen, so erkannte Levin, das konnte sie nicht unterdrücken. War es nur ihr Hass auf Thanos, der nun bald Befriedigung finden würde? Oder war da auch ein Funke, der mit Levin zu tun hatte? Am besten dachte er nicht darüber nach, sondern ging noch einmal das Vorhaben durch. Er durfte sich keinen Fehler erlauben.
Sie erreichten den Nordwesten, fuhren an Bauernhöfen vorbei und gelangten zum Waldrand. Über einen kleinen Weg konnten sie ein ganzes Stück den Bergfriedhof hinauffahren. Dann stellten sie den Wagen ab, marschierten die letzten Meter zum Grabmal und Levin betätigte den Auslöser. In der rechten Hand hielt er eine Fackel, um die linke Schulter hatte er ein Seil gehängt. Der Stein rollte zur Seite und er winkte sie hinein.
»Du gehst vor«, sagte Merkus.
Levin betrat die Kammer, die anderen folgten ihm. Elena war die Letzte. Mit aufmerksamem Blick musterte sie alles und schien in Gedanken versunken.
Sie beeilten sich. Levin führte sie durch den Gang, die Wendeltreppe hinauf und schließlich zur Nische hinter dem Meskanfeuer.
»Was ist das?«, fragte Merkus befremdet.
»Eine der Spezialitäten des Grafen.« Levin zögerte nicht lange und sprang durch das Feuer ins Labor. Keiner war im Raum. »Na los, kommt. Es passiert euch nichts.«
Zögernd sprangen sie einer nach dem anderen herein und drehten sich misstrauisch zum Feuer um.
»Das ist wirklich ein seltsamer Kauz«, sagte Sandrin. »Ob er uns auch so ein Ding bauen kann?«
»Leute, wir haben es eilig«, sagte Elena. »Levin, hier ist sein Gemach, oder?«
»Ja. Ich kann es aufschließen.«
»Na dann los! Haltet eure Waffen bereit!« Sie holte die Armbrust hervor, die anderen zogen die Schwerter.
»Das würde ich nicht tun«, wandte Levin ein, während er seinen Draht in das Schloss steckte. »Am Bett des Grafen befindet sich eine Glocke. Sobald er merkt, dass bewaffnete Leute sein Gemach betreten, wird er Alarm schlagen. Dann sind ganz schnell ein Dutzend Pfeile auf uns gerichtet.«
»Na wunderbar!«, gab Elena zurück. »Das sagst du uns aber früh.«
»Und jetzt?«, fragte Sandrin.
Levin ließ das Schloss knacken und drehte sich zu ihnen um. »Die Tür ist offen. Stürmt hinein in euer Unglück.«
»Hast du eine bessere Idee?«, fragte Elena.
»Lasst mich allein
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